Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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Bei mir ging es die letzten beiden Tage mit Angès Varda weiter:

Salut les Cubains (1963) – eine kurze Doku, die etwas weniger (aber schon auch) den Mythen und Stilisierungen erliegt, wie das anderswo der Fall ist, wenn Westler zu Besuch waren … schön ist, dass der Film zur halben Musikstunde wird, wenn die drei Quellen der kubanischen Musik (Brasilien/Karibik und Spanien plus Frankreich via Haiti) inkl. Beispiele auf der Tonspur erklärt werden … Benny Moré ist noch zu sehen – er starb kurz danach vor der Veröffentlichung des Films … und es gibt ein paar unglaublich tolle, zu Musik geschnittene Tanzszenen, die nur aus montierten Fotos bestehen.

Le Bonheur (1965) – bleibt für mich einer der abgründigsten, bösesten Filme aller Zeiten … wirklich atemberaubend!

La Mélangite (1960) – nur ein paar stumme Probeaufnahmen mit Off-Kommentar von Varda, wieder in Sète gedreht und betörend schön. Das wäre bestimmt ein wunderbarer Film geworden.

Christmas Carols (1965) – noch ein nicht zustande gekommenes Projet, dieses Mal gibt es aber ein paar kurze Szenen mit Ton, gedreht im Paris der Vorweihnachtszeit 1965; der Typ links im Bild ist Depardieu, ein paar Tage vor seinem 17. Geburtstag … man wünschte sich fast eine alternative Geschichte, in der Varda ihn unter seine Fittiche genommen hätte und er nicht zum gigantischen Arschloch geworden wäre). Die Produzenten mochten die Idee nicht – und die Darsteller auch nicht …

Les Créatures (1970) – ein nicht wirklich gelungenes Starvehikel für eine stumme Deneuve und Piccoli mit Stirnnarbe (er verschuldet im Vorspann einen Autounfall, nach dem sie nicht mehr sprechen kann), zugleich Film über ein Paar, das sich auf eine Insel zurückzieht und einen entstehenden Roman, an dem er schreibt und für den er Szenen mit der Bevölkerung der Insel imaginiert … das alles fliesst ineinander. Die imaginierten Szenen – später auch Science-Fiction-Szenen, in denen Piccoli und sein Gegenspieler die Menschen der Insel kontrollieren und manipulieren – werden rosa oder rot eingefärbt (was natürlich ein wenig an die Farb-Überblendungen von „Le Bonheur“ erinnert, aber dort sind das ja immer nur kurze Momente von einer Sekunde oder so). Sehenswert, aber wie Varda im eigenen Kommentar zur DVD sagt, nicht konsequent und hart genug in der Umsetzung (und bei der Kritik damals durchgefallen).

Die Bonusmaterialien auf den DVDs sind teils eh recht toll, zu „Le Bonheur“ gibt es eine ganze Menge, u.a. ein Treffen mit den Leuten aus dem Ort, wo der Film gedreht wurde: sie erinnern sich und sprechen mit Jean-Claude Drouot, dem Hauptdarsteller, während dessen Frau (im Film wie im Leben), Claire Drouot, im Gespräch mit Marie-France Boyer zu sehen ist, die sie im Film nach ihrem vermutlichen Suizid ablöst. Auf der DVD von „Cléo de 5 à 7“ gibt es u.a. die oben erwähnte Motorradfahrt entlang der Route, einen Kommentar von Varda zum Film (der als „schneller, kleiner“ Film entstand, nachdem ihr die Produzenten den versprochenen „La Mélangite“ gestrichen hatten) und zum Stummfilm-Einspieler, aber auch ein Ausschnitt aus einem TV-Interview („Madonna, c’est Madonna“, 1993), in dem Varda und Madonna über ein geplantes Remake mit letzterer in der Hauptrolle sprechen (Madonna hatte sich anscheinend die Rechte gesichtert) und Varda von der Idee sichtlich begeistert wirkt. Allerdings bestand Varda darauf, Regie zu führen, und den Rest kann mensch sich denken …

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