Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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NEFERTITI
davis, shorter, hancock, carter, williams, macero, plaut, moore (7.6./22.6./23.6./19.7.1967)

das offenbar repräsentative album von miles‘ ‚zweiten quintett‘ in dieser liste ist – trotz stilistischer geschlossenheit – das wohl offenste und loseste, eigentlich ein showcase für die rhythm section, und noch eigentlicher ein showcase für tony williams. es gibt kaum harmoniewechsel, höchstens in den themen, aber auch nicht in allen, carter erfindet einfach irgendwas und die solisten agieren völlig frei. es gibt zwei endlos-melodien von shorter, das titelstück und „pinocchio“, er muss zu diesem zeitpukt schon brasilianische musik gehört haben (aber wer hat das nicht, 1967), jede wiederholung erfolgt zwangsläufig aus dem ende der figur, die rhythm section simuliert zusätzlich entwicklung. dann zwei offene stücke, von den ursprünglichen kompositionen sind nur mehr kurze themen übrig geblieben, ergeben schöne soli von miles und shorter zu oft schweigendem klavier, nichts davon wurde jemals live nochmal gespielt. das relativ fertige „riot“ von hancock dagegen schon, das hier nur kurze soli erhält. die durchgängige einfachheit täuscht über die vielen innovationen hinweg: carters fluidität, die themen-only-performances, williams‘ breaks, die erst takte später wieder auf der eins landen, sein origineller latin-rythmus auf „riot“… manches ist aber auch schräg in dieser band: wie unsensibel oft hancocks soli abgewürgt werden, das verzögerte nachspiel shorters auf „nefertiti“, der verzicht auf balladen, der verzicht auf live-übernahmen bzw. -weiterentwicklungen („nefertiti“ gab es ein paar mal, aber erst mit der nächsten rythm section corea/holland/dejohnette). man sagt ja, dass das der beginn des postbop gewesen ist – aber welche band macht seitdem sowas wie auf „nefertiti“ oder „fall“?

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