Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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redbeansandrice

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Mete Erker – Tilburg Noord

ich hab ja lange in Tilburg gewohnt… und wenn man das jemandem aus dem Rest der Niederlande erzählt, fragen Leute durchaus „ist das nicht gefährlich?“ so als habe man gesagt, man käme aus der Bronx oder aus Compton… und dann jab ich immer nein gesagt, und vielleicht gelegentlich hinzugefügt, dass es in Tilburg Noord vielleicht schon Ecken gibt, wo es nachts besonders dunkel ist – so wie in jeder grösseren Stadt… gerade in der Nähe der berüchtigten Hochhäuser, Mozartflat, Wagnerflat, Sibeliusflat… Mit seinem neuen Album, Tilburg Noord, geht der Tenorsaxophonist Mete Erker (*1971), eine Stütze der südniederländischen Jazzszene, zurück zu seinen Urspüngen im Tilburger Norden, zu den Eindrücken von damals, der Musik, die er damals in den 80ern in seinem Jugendzimmer hörte, und die ihm letztlich andere Welten eröffnete… so spielt er Song for Che von Charlie Haden, Ghosts von Albert Ayler, Moonlight in Vermont, eine Reihe von Eigenkompositionen begleitet vom Klaviertrio des Pianisten Flors Kappeyne…

ich dacht zunächst, das interessiert eh nur mich, wo ich den lokalen Bezug hab und das mag so sein… ich kann mich drüber wundern, ob der Valse Triste von Sibelius vielleicht tatsächlich ein Verweis auf die Sibeliusflat ist, vielleicht auf den Moment, als dem kleinen Mete klar wurde, dass all die Hochhäuser – die damals sicher noch viel neuer waren als heute – nach Musik benannt sind… und auch das Cover versteh ich: wenn man aus dem Zentrum von Tilburg mit dem Fahrrad nach Norden fährt, muss man zunächst eine gefühlte halbe Stunde durch diese Hochhaussiedlungen fahren, bevor sich das Land öffnet… aber wenn man in den Sibeliusflats oder ihrer Umgebung wohnt, ist man in fünf Minuten im flachen Land (hier sieht man das ein bisschen, die Sibeliusflat fotografiert vom Maisfeld ausserhalb der Stadt).

Tatsache ist aber, dass das Album wirklich gut ist – deshalb schreib ich was, mir macht es musikalisch zB mehr Spass als das von Marcus Gilmore. Erker ist so ein Tenorist aus der Schule von, ich sag mal, Chris Potter oder Mark Turner… und auf diesem Album macht er ein paar Sachen richtig, die auch die Meister dieser Schule gelegentlich nicht so schön hinkriegen. Erstens: Die Kompositionen sind gut, sowas wie Song for Che oder Ghosts sucht man auf dem typischen Chris Potter Album vergeblich… keine Eigenkompositionen, aber einfach gute Stücke. Zweitens: die Musik hat eine Wärme, die bei dieser Art Jazz nicht selbstverständlich ist… zum einen hilft hier sicher, dass das Album um diese Jugenderinnerungen herum aufgebaut ist … zum anderen macht die Band wirklich einen guten Job…


Spellbinder

Song for Che, hier kann man sich auch ein Konzert der Band anhören

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