Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert › Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert
vorgartenok, da muss man mich jetzt aber schon bewusst misverstehen wollen, und ich könnte jetzt auch rechthaberisch argumentieren, dass junge musiker*innen heute natürlich auf archive zurückgreifen müssen, um sich mit elvin jones zu beschäftigen, alle beteiligten an diesen aufnahmen leben ja nicht mehr, man kann sie nicht mehr live studieren oder sich von ihnen was zeigen lassen. und schlecht werden sich die studierenden auch nicht fühlen, wenn sie die aufnahmen hören. aber gut, ich habe mich nicht gut ausgedrückt, das ist ja offensichtlich. aber euer widerspruch ist schon interessant: ich dachte, dass die trademarks von jones, tyner, garrison, coltrane selbst (ich hatte „ikonisch“ gesagt) mittlerweile so oft kopiert, gesampelt, destilliert worden sind, dass man heute nicht mehr versteht, wie frisch das damals geklungen haben muss. aber vielleicht ist das wirklich quatsch und es überrascht menschen immer noch beim ersten hören – je nachdem, woher sie kommen.
Was ich beobachtet habe ist, dass der Impact von bestimmten Musikern über den Tod hinaus ungebrochen ist (das Internet unterstützt das natürlich). Es vergeht kaum ein Tag an dem nicht über Elvin gesprochen oder geschrieben wird. Und wahrscheinlich könnte das mit Roy Haynes oder Al Foster ähnlich passieren. Übrigens kein ganz neues Phänomen, wenn wir uns die Wirkung von Chick Webb, Sid Catlett, Jimmy Blanton, Tiny Kahn, Clifford Brown, Bill Evans oder Scott LaFaro allein in der Vergangenheit anschauen. Evans ist wahrscheinlich beliebter als noch zu Lebzeiten, das kann man fast so sagen. Am Beispiel „Clyde Stubblefield“ oder Tony Williams könnte man auch gut über Impact sprechen. Ethan Iverson hat Hampton Hawes intensiv studiert, obwohl der schon lange nicht mehr lebte, das geht also irgendwie. Jack DeJohnette hatte sich das Drumming anfangs selber beigebracht, Barry Harris hatte zugegeben, dass er in jungen Jahren eine bestimmte Platte von Bud Powell immer wieder abspielte, bis er alles besser verstehen konnte.
Was sogenannte „Trademarks“, Licks und mehr angeht: Die kann man natürlich studieren und verstehen, kopieren vielleicht auch, aber trotzdem sind die dann immer noch nicht einfach zu spielen. Bei Africa/Brass kann man ja zudem sehr viel zu Dynamics, Komposition, Orchestrierung und Ensemblespiel lernen, das alles zusammen ist fast nicht kopierbar (sonst hätte man vielleicht heute eine Ghostband ). Die Tage konnte ich sehen, dass Profis sich fast die Zähne am Konzept von Al Foster ausbeissen („I’m still learning it at this age. I’m 79.“- Al Foster), weil sein Spiel doch ziemlich komplex und auch physisch fordernd war. Roy Haynes hatte schon an verschiedenen Stellen mal erwähnt, dass sich bei ihm öfters was ändern würde, er würde sich kaum wiederholen. Kopieren ist daher gar nicht so einfach (Sampling wird nicht ohne Grund oft verteufelt, KI könnte alles noch schlimmer machen. Aber das so nebenbei). Rückblickend verstehen wir vielleicht auch besser, warum Coltrane sehr viel geübt hatte.
--