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JAZZ AT ANN ARBOR
baker, freeman, smith, neel, bock, ? (9.5.1954)
„we don’t play ‚in the mood‘!“ etwas nölig reagiert chet baker auf einen wunsch aus dem raum, wahrscheinlich ein komplizenhafter witz zwischen dem studentischen publikum im freimaurertempel und den jungen wilden auf der bühne (in der gleichen woche war THE WILD ONE mit marlon brando angelaufen, auf dem russ freeman im soundtrack zu hören ist). die aufgeräumte originalität der band ist gleichzeitig einladend und eigenwillig – wie baker den entertainer als pappfigur aufscheinen lässt und sich dann darüber lustig macht, wie das quartett eine flüssige hitze nur als pause zwischen den balladen erzeugt, die hier ganz klar die hauptattraktionen sind, wie sich freeman mit originellen soli aus der begleiterrolle schält – das klingt hier atmosphärisch wie eine verabredung mit dem (wahrscheinlich) jungen publikum, das im tempel zwar nicht rauchen darf, sich aber freut, von seinen helden besucht zu werden.
der moment zum luftanhalten ist natürlich „my funny valentine“, von dem es im mai 1954 erst fünf dokumentierte instrumentalaufnahmen gibt, eine davon von baker selbst, im quartett mit mulligan, ohne klavier. (eine andere ist interessanterweise von barbara carroll). ein signature song in the making, mit dramatischem paukenwirbel und einem ernst marschierenden bass eingeleitet. jede von bakers linien ist interessant, eigen, das stück gehört ihm schon voll und ganz. aber angesichts der zarten erkundungen erscheint dann die plakat-logline zu THE WILD ONE doch etwas aus einer anderen welt: „jazzed-up hoods on a bust-up binge… and they don’t care who gets hurt!“ das ist nicht die rebellion, die hier im freimaurertempel aufgeführt wird.
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