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vorgarten
friedrich
Die Musiker schleppen sich träge durch das Programm und bremsen alles auf Zeitlupe runter. War diese Aufnahmesituation tatsächlich ungeplant und ungewollt? In den liner notes meiner CD schreibt executive producer Tom Buchler, dass das zeitlich eigentlich so verabredet war. Über den Tagesrhythmus und die Schlafgewohnheiten des Arkestras ist mir nichts bekannt.sun ra hat ja angeblich nie geschlafen. das ungeplante war wohl, dass man nicht wissen konnte, wer und wie viele der arkestra-mitglieder nach new york mitkommen würden, vielleicht sind auch dort noch leute dazugestoßen (wer z.b. ist der gitarrist „disco kid“?). buchler und toningenieur blank haben beide beschrieben, dass sun ra die ganze musik vor ort, in der situation, entworfen, arrangiert, geprobt und aufgenommen hat. und sie hatten eben nur diese nacht für die aufnahmen (und den nächsten tag für overdubs). und buchler schreibt, die meisten musiker mussten das tv-show-buffet sausen lassen, um frühzeitig, aber völlig ausgehungert, im studio zu sein. man muss das nicht romantisieren: das sind immer geschichten von mangelnden ressourcen, aber auch von kleinen explosionen der begeisterung.
Er hat nicht nur nie geschlafen, er hat auch durchschaut, was den Kosmos im inneren zusammenhält. Jedenfalls schildert Buchler in den liner notes der CD, dass er mit Sun Ra die Organisation der Aufnahmesession vorab besprechen wollte, der aber stattdessen Monologe über Metaphysik und Kosmologie hielt. Dagegen ist die Planung einer Aufnahmesession natürlich nur Pipifax.
Lanquidity wird etwas von dem Mythos überstrahlt, der sich um dieses Album rankt, finde ich. Ultra rare (Erstpressung geht für knapp € 2000 über den Tisch), unter obskuren Umständen entstanden und auf einem nicht weniger obskuren Label erschienen, erst Jahrzehnte später wiederveröffentlicht … Erwartet man das 70er Jazz-Funk Album, als das es manchmal bezeichnet wird (Rolling Stone: „Funk from outer space“), ist man jedenfalls erst mal irritiert, wenn man diese gedämpfte Zeitlupenmusik hört. Da rechnet man ja eher mit etwas im Stile von Herbie Hancocks Sextant. Lanquidity ist sicher ein gutes Album und auch etwas außergewöhnlch im Oeuvre von Sun Ra (aber was ist da nicht außergewöhnlich?), doch wenn ich sehe, dass Lanquidity eins von nur 2 Sun Ra-Alben in der RS-Liste ist, kann man über den Sinn dieser Wahl grübeln. Aber das ist müßig.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)