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SONGS FOR DISTINGUE LOVERS
holiday, edison, webster, rowles, kessel, mitchell, stoller, granz, ? (3.-9.1.1957)
ich glaube, ich kenne wenig sessions, bei denen ich so sehr den eindruck habe, dass sich alle beteiligten miteinander wohl fühlen, wie diese hier. vornehme liebhaber, allesamt. tin pan alley material, alle werden diese songs schon mindestens 300 mal vorher öffentlich gespielt haben. und nicht aus faulheit, sondern weil es einfach großartige songs sind. sie lassen sich ganz locker nochmal darauf ein hier, machen keinen druck, spielen ein paar der vielen möglichkeiten aus, immer wieder die melodien anzusteuern, ohne sie eigentlich zu spielen. und da nimmt sich die stimme natürlich nicht aus. reizvoll liegen komponierte linie und tatsächlicher vortrag so übereinander, dass sie immer wieder leicht auseinanderlaufen und 2 takte später wieder mühelos wieder übereinanderliegen. etwas kantig bei rowles, ein bisschen poppiger bei kessel (mit leichtem verziehen der saiten), gesprächig bei edison, genuschelt bei webster. stoller reagiert leicht und aufmerksam und geht immer im richtigen moment, beim richtigen solo, nie schematisch, zu den sticks über. alle sprechen die gleiche sprache. und der produzent verbiegt das alles nicht: klar wird aus der kratzigen stimme eine vornehme lady gemacht, aber das cover sagt dann wieder: keine angst, die veredelung hat ihre grenzen, ihr kriegt die dramatische holiday, wie ihr sie kennt. und natürlich wird mit diesen songs das fenster nur noch halb geöffnet zur alterweisen kennerin der vielen spielarten des verliebt- und verlassenseins, die mit diesem spiel noch nicht durch ist – während der körper schon deutliche signale sendet, dass das leben bereits gelebt ist. mittendrin „one for my baby“, da weiß holiday, da wissen alle in der band, dass das eigentlich der song der stunde ist. und dann klingt es wieder so dramatisch wie man es erwartet.
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