Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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RIP, RIG AND PANIC
kirk, byard, davis, jones, tracy, van gelder (13.1.1965)

mit diesen vorgaben hätten pianisten wie walter norris wohl weniger schwerigkeiten gehabt, aber darum geht es nicht, und hier ist es ja auch schon 1965, und alle beteiligten hatten schon einige musikalische trips hinter sich, und keine übung in ratlosigkeit. wenn kirk in einem solo von elvin jones plötzlich eine sirene einschaltet, muss ich fast lachen, obwohl das natürlich kein abgrenzender kommentar zu coltrane ist. aber trotzdem aus einer anderen welt: kein spritual jazz hier, eher konkrete musik, und dass auch nicht auf 40 minuten pro stück, sondern auf 4. keine vertiefung, keine sehnsucht, alles hineinzupacken, was einem dazu einfällt, oder was einem der moment eingibt. sounds werden reaktiviert, es können welchen von bechet oder clifford brown sein, ein beim spielen mal umgefallenes wasserglas, straßen- oder naturgeräusche. aus dem moment geht der blick gleichzeitig nach hinten und nach vorne und der atem in mehrere instrumente (auch das: aus sound-gründen, nicht als zirkustrick). ein manierismus der form, barock überbordend, aber entschieden und knapp gesetzt. allen vieren fällt etwas dazu ein. z.b. byard: recht und linke hand so emanzipieren, wie kirk seine gleichzeitig gespielten blasinstrumente. auch dem toningenieur, der eine art multiperspektivischen klangraum baut. das wäre alles schon als idee umwerfend, aber es hat ja auch noch drive, swingt wie hölle und klingt fantastisch. nach 35 minuten dieses perfekt durchstrukturierten albums ist man frisch und aktiviert, kein bisschen verwirrt. ein entertainment der form.

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