Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Ich hab davon nur 2/3 (4 Stücke) auf der CD „African Sun“ von Ibrahim/Brand (KAZ/Camden). Hatte zu den Sessions hier mal einen Thread gestartet … einer der vielen eingeschlafenen.

Bei mir geht gleich das hier zu Ende:

Kenny Burrell with Art Blakey – On View at the Five Spot Cafe: The Complete Masters | Das ist wirklich recht schludrig gemacht, mit umfangreichen Hype-Liner Notes (Syd Schwartz), der diese Aufnahme irgendwo zwischen dem ersten grossen Gig von Cecil Taylor (im Five Spot natürlich), den legendären zwei Wochen, aus denen zehn wurden, als Ornette Coleman zum ersten Mal in New York war und den dazwischen liegenden Residencies von Monk mit Coltrane und Monk mit Johnny Griffin verorten will … was natürlich schief ist, weil das einfach ein gutes, atmosphärisches Live-Album ist, aber keine Inselmusik, kein Kairos oder sonstwie ein wichtiges Ereignis. Ohne, dass dies deklariert würde, gibt es auf CD 1 zuerst das originale Album und danach die drei 1980 in Japan zusätzliche veröffentlichten Titel (Seite B der LP „Swingin'“, aber in umgedrehter Reihenfolge) – also dasselbe wie auf der 1987er CD (wo die drei Bonustracks aber zwischen das LP-Programm eingestreut wurden).

Auf CD 2 gibt es dann keineswegs den Rest der Complete Masters sondern einfach eine Auswahl weiterer Stücke von den fünf Sets, die die Band am 25. August 1959 anscheinend gespielt hat (steht so bei Schwartz, ich nehme an, das kann man bei Ruppli/Cuscuna nachgucken). „Complete Masters“ ist also Mumpitz, das Bonusmaterial fügt dem auch nichts Neues hinzu, finde ich – und „36-23-36“ ist zudem auch noch nicht als „alternate take“ markiert, wie das bei „Birks‘ Works“ und „Lady Be Good“ der Fall ist. „Lady Be Good“ ist eigentlich auch „Hackensack“ oder „Rifftide“, also die Coleman Hawkins/Thelonious Monk Linie über die Changes des Gershwin-Songs (war aber auch auf den früheren Ausgabe schon so, dass das Stück „Lady Be Good“ hiess). Neu sind die Stücke „The Next Time You See Me, Things Won’t Be the Same“, „The Take Off“ (von Burrell als „original tune“ angekündigt, also wohl nicht „Conception“ von Shearing, wie Noal Cohen in seiner Diskographie meint) und „Love Walked In“. Von den fünf Sets seien zwei mit Timmons/Brooks und ergo drei mit Hanna gespielt worden, schreibt Schwartz, das fünfte und letzte Set habe mit „Love Walked In“ begonnen (einem Stück mit Timmons, auf dem Brooks aussetzt), die CD endet danach mit der neuen Version von „36-23-36“, dem Closer der ganzen Aufnahmen.

Wenn ich bei Cohen gucke, sind die Stücke auf CD 2 wohl folgende: b (m, die andere unveröffentlichte Version ist gemäss Cohen mit Timmons), f oder q, x, u, y und z/aa (aa ist „The Theme“, als Tag an der neuen Version von „36-23-36“ dran). Also gleich vier Stücke vom Ende des letzten Sets, und das erklärt wohl die entspannte Stimmung: das Tagwerk ist längst getan, es gab genügend Material für das Live-Album, man spielte aber den Gig locker zu Ende und riss dabei keine Bäume mehr aus. Was auch auffällt: Bobby Timmons kommt mit dem verstimmten Klavier sehr viel besser zugange als Roland Hanna, bei dessen virtuosem Spiel (siehe „Hallelujah“ vom Album oder „The Take Off“ vom Bonusmaterial) das Instrument scheppert und die Verstimmtheit echt deutlich zutage tritt, während es bei Timmons oft durchaus irgendwie charmant schräg wirkt. „The Take Off“ ist vielleicht trotzdem die substantiellste Beigabe der neuen Ausgabe.

Wenn ich Cohens Eintrag noch weiter auseinandernehme, komme ich zu:

a-g: 1. Set (Hanna)
h-m: 2. Set (Timmons, Brooks auf i-l)
n-t: 3. Set (Hanna)
u-aa: 4. Set (Timmons, Brooks auf v-aa)

https://attictoys.com/tina-brooks/tina-brooks-discography/

Entweder gab’s also nur vier Sets oder n-t sind zwei Sets oder das erste Set wurde gar nicht erst aufgenommen oder sonstwo stimmt was nicht … und mit „The Theme“ separat gezählt (auf CD 2 kein eigener Track) haben wir 15 der insgesamt 27 Stücke. Und das ist vermutlich tatsächlich – so ist ja der Tenor drüben bei Org – eher zu viel in diesem Fall … dass die Veröffentlichung dann ausgerechnet Cuscuna gewidmet wird, ist etwas ironisch, weil dessen Ohren vermutlich schärfer geurteilt und das Bonusmaterial nicht freigegeben hätten (auch das eine Mutmassung von wem drüben bei Org, der ich mich aber anschliesse). Dennoch: nett, das Album in neuem Mastering (Kevin Gray) wieder zu haben (klingt aus der Erinnerung an die alte CD etwas klarer, aber ich müsste mal vergleichen). Und ich mag sowas ja auch: men at work halt, ein Einblick in den Alltag einiger Leute, die ich sehr schätze, und ein paar neue Soli von Tina Brooks sind eh willkommen, auch wenn es nicht seine besten sind. Der ganze Hype, den Schwartz auffährt, ist aber nicht grad hilfreich bzw. ein wenig daneben … kommt mir ein wenig vor wie die Zugunterhaltung gestern, bei denen drei Rauchguckende aus Rom sich aufgeregt wie Kinder über das Erlebte unterhielten, bzw. zwei waren ganz aufgeregt, und als der dritte gekonnt beiläufig erwähnte, er als Ex-Kommandant der lustig gestreiften Trachtengarde dort habe natürlich den Franziskus jeweils gegrüsst und so … da waren die Kiefer der anderen mal für einen Moment am Boden …

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba