Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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meta-listen sind mir, glaube ich, zu nerdig ;-)

95

QUIET KENNY

dorham, flanagan, chambers, taylor, edwards, van gelder (13.11.1959)

getrennte frequenzen: trompete, klavier, bass, schlagzeug. alles sticht klar heraus und springt doch nicht an. über dieses album und seinen leader liest man viele ex-negativo-formulierungen: was diese musik wunderbarerweise alles nicht ist und was dorham wunderbarerweise nicht nötig hatte zu sein. aber was ist diese musik denn? und was ist das besondere an kenny dorham? eigentlich ist QUIET KENNY ja das von @redbeansandrice vermisste prestige-album in der liste, mit den bekannten produktionsbedingungen: musiker kommen, spielen ohne vorbereitung ein album voll, also schnelle einigung auf standards, blues, vielleicht das schon eingespielte eigene material („asiatic races“, das hier „lotus blossom“ heißt). dann findet sich ein titel und ein coverfoto, hier so sexy wie irreführend. das album ist nicht besonders leise – und schon sind wir wieder ex negativo. was ist es denn eigentlich, stattdessen?

der ton ist menschlich, man hört das metall nicht mehr, durch das er dringt. leichtes pressen, ganz leichtes schwingen am ende, offene haltung, ein paar verspieler sogar. er geht nicht tief ins material, „old folks“ könnte man weit melancholischer angehen, der mecky-messer-song könnte mehr jubilieren. flanagan könnte sich auch mehr gefühle erlauben, er spielt so zurückhaltend, dass er fast verschwindet, die akkorde sind selbstgefunden, aber auch schon oft erprobt, nichts erwischt ihn hier mehr out of the blue. mich berührt das alles nicht, aber ich finde es wunderbar anzuhören. chet baker fällt mir da eher ein als die schwarzen kollegen, von denen sich dorham ex negativo absetzt (oder er abgesetzt wird), das material ist baker-material, „my ideal“, „alone together“. aber dorham hat sich in seiner kurzen karriere doch musikalisch mehr herausgefordert. aber auf QUIET KENNY eben nicht. ich würde sagen: es ist nicht sein bestes album.

ich habe bei dorham immer das gefühl, das alle, die ihn kannten, ein bisschen verliebt in ihn waren. irgendwas ist anders an ihm. aber um das näher einzukreisen, müsste man wieder ex negativo formulieren.

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