Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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david murray infinity quartet feat. saul williams, blues for memo (2015/18)

der hipness-faktor steigt. spoken word artist saul williams kannte ich vorher nur in drum&bass-projekten, in denen er sich ähnlich autark bewegt wie hier, auch wenn die manchmal zu altmodisch boppigen kompositionen von murray weniger raum lassen. die infinity-musiker halten aber die jazz-, experimentellen hiphop- und die r&b/soul-anleihen (sänger pervis evans ist auch noch dabei) schön im gleichgewicht, vor allem der neue pianist orrin evans. ich bedaure trotzdem, dass marc cary hier schon wieder nicht mehr dabei ist.

die genese des albums reime ich mir so zusammen: mit dem langvertrauten produzenten mehmet „memo“ uluğ für das türkische doublemoon-label eingespielt, im prozess stirbt uluğ und das album heißt „blues for memo“ und kommt 2018 auch noch mal bei motéma raus. die stücke sind kürzer, flashiger, eine komposition von ra ist dabei, ein sun-ra-gedicht steht auf dem rückcover. vorne sternenstaub. jason moran spielt irgendwo ein e-piano, mingus ein paar gitarrenlicks, murrays ton wird zum gesang, williams‘ zerebrale rezitation klatscht sich mit dem schluchzenden soul von evans ab. murray ist beinahe im hybriden sound des neuen jahrtausends angekommen. gypsy-tail-wind hat das projekt live gesehen, das kann ich mir schon spannend vorstellen.

Zu diesem Album, den Konzerten, Saul Williams usw. steht in den Posts direkt nach dem zitieren noch etwas mehr.

Mich fesselt das auf Platte nicht so richtig – obwohl Nasheet Waits wieder eine unglaubliche Präsenz und sehr viel Bewegung reinbringt, erneut mit Jaribu Shahid neben sich. Wie schon beim Album mit Allen und Carrington gibt es viele Stücke, die meisten um die 5 Minuten kurz. Ab dem vierten tauchen die Gäste auf: Jason Moran zweimal am Rhodes (#4 und #7 übrigens, nicht #4 und #6 wie auf der Hülle steht), Craig Harris viermal an der Posaune (stark!), je einmal Aytac Dogan an der Kanun (einer Zither) und Mingus Murray an der Gitarre. Hintenraus dann noch dreimal der Sänger Pervis Evans … live – einfach mit dem Quartett und Williams – fand ich das Projekt echt gut, das Album hat hingegen nie so ganz gezündet und will das auch heute nicht tun, obwohl die Basisband schon sehr gerne mag. Evans bringt monk’sche Züge rein, Kanten, fügt sich hervorragend zu den bewegten Grooves und Beats von Shahid und Waits. Murray rifft und bricht auch immer wieder kurz aus. Saul Williams setzt sich drauf, stellt sich davor – und sein Charisma ist auch ab Konserve beträchtlich. Gerade die Kohärenz der Rhythmusgruppe fehlt dem Album als Ganzem – so attraktiv seine Teile (auch der vierte Track mit Kanun, Rhodes und Posaunensolo von Harris) im Einzelnen auch sein mögen. Zu viele Köche.

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