Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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vorgarten

david murray & the gwo-ka masters feat. pharoah sanders, gwotet (2003)

tatsächlich gerade zum ersten mal gehört. murray fusioniert zwei projekte, die guadeloupischen gwo-ka-musiker und den bläsersatz aus der latin big band, als grundlage spielen jaribu shahid (meist e-bass) und hamid drake us-amerikanischen funk. und pharoah sanders spielt auf 3 stücken… na, pharoah sanders. ganz offensichtlich funktioniert das alles. aber genauso offensichtlich lässt mich das ein bisschen kalt. es gibt tolle momente im arrangement, die grooves sitzen, und sanders ist einfachn irre – er schwebt durch diese musik mit einem freigeist und einer durchgehenden interessantheit, dass murray neben ihm tatsächlich etwas verblasst. bevor sanders einsetzt, kann man sich eigentlich nicht vorstellen, was er dazu spielen wird, aber ab dem ersten ton ist alles genau richtig, er geht interessant mit den changes um, hat einen plan, produziert schöne sounds, schiebt alles energetisch eine halbe treppenstufe höher. bei murray spürt man dagegen die last des konzepts, er trägt die produktion, die kompositionen, die arrangements und das solistische spotlight, das rutscht ihm weg (wenn auch nie so richtig, alles bleibt auf hohem niveau). in der interessanten fusion zerfällt am ende vieles in einzelteile, andererseits hat man all das so auch noch nicht gehört. es gibt zu diesem album noch remixes, u.a. von osunlade, die sind auch nicht der knaller, aber ziemlich hübsch. von den soli bleiben da nur ein paar samples aus den sanders-soli übrig.

Und ich betrete jetzt völliges Neuland … mein nächstes schon länger bekanntes Murray-Album wurde 2010 aufgenommen, ein ganzes Jahrzehnt nach „Like a Kiss…“ also. Die fünf dazwischen habe ich in den Wochen, in denen ich hier zuletzt aktiv war, angeschafft – natürlich auch aufgrund der Texte, die ich hier las.

Der Funk mit dem Garagen-Sound ist nach dem Power Quartet ein kleiner Schock, erstmal die Ohren justieren und etwas höher drehen. Hamid Drake spielt flache Beats, die im Zusammenspiel mit der warm grollenden Bassgitarre von Jaribu Shahid allerdings eine enorme Sprungkraft entwickeln. die Bläser-Section klingt nach Fanfare*, eine Art maghrebinischer Afro-Frunk aus der Banlieue. Darüber dann Murray – ruppig aber eingeschliffen, souverän. Und Sanders – mit auskragenden Linien, offenem Ton, ohne Plan, manchmal für Momente verloren, aber mit Charisma – und wie @vorgarten oben schreibt: Vom ersten Ton an richtig! Ich finde den Mix aus Jazz, Funk und Rhythmen, Chants und Raps aus der Karibik und kreisenden Gitarren aus dem Senegal recht ansprechend, aber so richtig mitnehmen mag mich das Album – das vielleicht das eigentliche Creole-Album von Murray ist? – in ganzer Länge nicht. Es droht auch, auf halbem Weg sehr lang zu werden, doch die zweite Hälfte der Stücke ist kurz gehalten, es gibt einen Rap (von François Ladrezeau, nehme ich an), auch mal ein paar Soli der anderen Bläser (darunter ein Sopransax, das im Line-Up niemandem zugeordnet wird) und irgendwann auch noch die Bassklarinette (auch nicht erwähnt im Line-Up, ebensowenig wie Aufnahmeort oder -datum), als achtes und letztes Stück gibt es einen „Radio Edit“ des Openers – 6 statt 12 Minuten. Ob das wirklich mal im Radio lief?

*) Da gibt es in Frankreich ja eine eigene Tradition, die ziemlich abgeht, vor allem, wenn man mal so eine Band auf der Gasse erleben kann (mir gleich zweimal passiert im Urlaub vorletzten Herbst) – hier eine, von der ich seit über 20 Jahren immer wieder mal was anhöre:

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