Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Stanley Turrentine – Salt Song | Allein wegen des Openers, „Gibraltar“ von Freddie Hubbard, in dem ein 4/4 immer wieder in einen brasilianisch angehauchten Groove kippt (Drums von Cobham, Drums und Percussion von Moreira, die sonst zu hörenden Streicher pausieren hier, leider weiss man nicht, wer wo Keyboards spielt: Deodato, Horace Parlan und Richard Tee waren dabei) wäre das wohl viel eher mein Anspieltipp für Dich @vorgarten als „Sugar“. Im Opener rahmen ein Gitarrensolo von Eric Gale und eine Art Bass-Solo ein langes Solo des Leaders. Ron Carter ist auf dem Album wirklich stark. Danach gibt es einen Gospel-Traditional („I Told Jesus“, von Turrentine adaptiert, mit souliger Gitarre und dreistimmigem Frauenchor – das wäre eigentlich der logische Einsatz von Parlan hier, aber es gibt einen Orgelteppich und ein zurückhaltend sphärisches E-Piano). Die zweite LP-Seite (bei mir läuft die CD in Papphülle von 2011) beginnt dann mit dem Titelstück von Milton Nascimento, danach folgt „I Haven’t Got Anything Better to Do“ („No Tengo Nada Mejor…“ von Lee Pockriss/Paul Vance, auf dem gleichnamigen Verve-Album von Astrud Gilberto zu finden), grosses Balladenkino mit Carter, den Streichern und (ich tippe mal) Tee, und zum Schluss dann noch Turrentines einziges Original „Storm“, auf dem er eigentlich zum einzigen Mal hier in seinen so typischen Groove fällt (oder zum zweiten Mal nach dem Opener), nochmal ein Solo von Gale – und dann doch noch ein Bruch: die drei Sängerinnen tauchen über einem zickigen Beat mit viel Percussion und ein paar musique concrète-artigen Einschüben nochmal auf. Bei der Themenrekapitulation dann wieder die Streicher und wie aus dem Schatten heraus ein paar leise Tonschwärme von einer Orgel (Tee vermutlich). Auf meiner Ausgabe ist noch eine alternative Version von „Vera Cruz“ (nochmal Nascimento) drauf, zu der Doug Payne andere Angaben macht als die CD, die einfach das Line-Up der Version von „Gilberto with Turrentine“ gibt, dabei scheint es die Version von „The Sugar Man“ zu sein, die aber zumindest teils bei den Sessions zum Album mit Gilberto entstand – beide Alben kenne ich nicht). Das ist wirklich ein bemerkenswertes Album in Turrentines umfangreichem Katalog (den ich nur bis zum Ende der Blue Note-Jahre – ziemlich? – komplett kenne). Im Titelstück zitiert er über dem langsamen brasilianischen Groove „Jeepers Creepers“ und strahlt dann im schnelleren Samba-Tempo eine gelassene, sonnige Wärme aus, wie ich sie am ehesten mit dem Enja-Album von Bobby Jones verbinde … da kommt irrsinnig viel zusammen. Hier kann ich mich problemlos ein paar Stunden festhören – ich hatte gar nicht mehr präsent, wie toll dieses Album ist!

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba