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Habe Nik Bärtsch’s Ronins Holon und Llyria nun vor einer Weile erworben. Darum noch ein paar Worte dazu.
Nik Bärtsch’s Ronin – Holon (2008)
Nik Bärtsch’s Ronin – Llyria (2010)
Den französischen Philosophen Roland Barthes in den liner notes zu Ben Webster hatten wir schon. Am Anfang der von Nik Bärtsch unter dem Titel „Empathie und Phrasierung“ selbst verfassten liner notes zu Llyria zitiert er Ludwig Wittgenstein:
„Die für uns wichtigsten Aspekte sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, – weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlage seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf.“
Er denkt darin schriftlich über Kommunikation, Empathie und „gemeinsame Resonanz“ als Grundlage des gemeinsamen Musizierens nach. Mit dem Schlagzeuger Kaspar Rast spielt er schon seit über 25 Jahren zusammen und hat mit ihm zusammen einen „gemeinsamen musikalischen Code“ entwickelt, die scheinbar selbstverständlich, aber tatsächlich alles andere als das ist – man merkt es bloß nicht mehr, eben weil es zur Gewohnheit geworden ist. Ich meine das aus anderen Zusammenhängen (Arbeit, Sport, Freundschaften) zu kennen. Manche Dinge bemerkt man erst, wenn sie nicht mehr da sind. Die liner notes sind übrigens ganz nüchtern, völlig unpathetisch geschrieben.
Hört man das dieser Musik an? Sie scheint meist wie selbstverständlich dahinzufließen, die 5 Musiker schaffen gemeinsam ein Gewebe, bei dem sich keiner – auch nicht Nik Bärtsch – in den Vordergrund drängt. Keine Soli, eigentlich nicht mal Melodien, sondern grooves, repetetive Muster und Strukturen, die sich unmerklich verdichten oder auflockern, hier und dort Spitzen und Akzente, manchmal auf Zuruf von Nik Bärtsch gesetzte abrupte Wendungen und Zäsuren, so dass sich eine eigene Dynamik und Spannung entwickelt. Was davon geplant ist oder durch eine „gemeinsame Resonanz“ entsteht, weiß ich nicht.
Steve Reich trifft James Brown im Jazz Club. Sagt Steve Reich: „Bing-bing-bing-bada-bada-bing …“. Sagt James Brown „Get on up!“ Ruft das Publikum „Yeah!“ Ludwig Wittgenstein wippt wortlos mit dem Fuß.
Llyria ist das etwas ruhigere Album, Holon ist zupackender. Gefällt mir sehr. Werde wohl am 17.04. zu Ronin live ins Berliner A-Trane gehen. Das aktuelle Album SPIN kann ich vielleicht dann vor Ort erwerben.
Wie lange kann man immer wieder nur zwei Töne spielen und damit Spannung aufbauen?
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)