Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Mal hören was das Lauschen über den Tellerand so erkennen lässt und wo ich bei Lionel Louke anknüpfen kann. Nehmen wir doch einfach mal dieses Album mit ihm als alleinigen leader – aber mit diversen Begleitern und Gästen:

Lionel Loueke – Virgin Forest (2006)

Der Titel passt, denn diese Musik klingt naturbelassen, leicht und unbeschwert, etwas verträumt. Louekes afrikanische Wurzeln sind unüberhörbar, einige Stücke lassen auch den Einfluss der Bossa Nova erkennen – insbesondere wenn Gast Gretchen Parlato mit engelsgleicher Stimme singt. Im Vergleich zu ihr klingt Astrud Gilberto wie ein Drache. ;-)

Stargäste sind Herbie Hancock und der Perkussionist Cyro Baptista. Insgesamt aber sehr sparsam instrumentiert, akustische Gitarre, Bass, Percussion, Gesang, das ist es fast auch schon. Oft eher musikalische Skizzen als Kompositionen, eher melodische Kürzel im perkussiven Gewebe als Songs. Sehr transparent, filigran und federnd. Einmal huscht etwas Highlife durchs Bild, kurz vor Schluss klingt es sogar fast mal so wie Herbie Hancocks Headhunters. Vielleicht ist das ein kleiner Schwachpunkt des Albums: Es gibt ein paar stilistische Ausreißer und ein paar etwas selbstverliebte Soli, da scheint LL zuviel auf einmal zu wollen. Dadurch verliert das Gesamtbild etwas an Prägnanz. Aber das ist Klagen auf hohem Niveau und ggf. kann die Playlistfunktion oder die Programmierfunktion des CD-Spielers Abhilfe schaffen.

Ein Traum von exotischer Unschuld. Oder unschuldiger Exotik. Kann man sich auch mal drauf einlassen.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)