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dieses Harry Carney Album sieht ja wild aus – also: eine ziemlich verrückte Idee, mit einem Koffer voll Kompositionen von britischen Komponisten nach Amerika zu fahren, um sie dort von Ellington Sidemen aufnehmen zu lassen… und dann packt man noch mit Rollins Griffith als Ellington-Ersatz jemanden aus, der sonst eigentlich nur auf ein paar Charlie Parker Bootlegs aus Boston zu hören ist… (Carney war ja auch aus Boston, Gonsalves kam aus der Bostoner Szene – für die Musiker mag das eine naheliegende Wahl gewesen sein).
Wegen Lyttleton und „Go Home Dirty Bopper!“, BillF, verstorbener Poster auf .org, war an dem Abend dabei und hat dort gelegentlich davon erzählt… die Ironie ist ja, dass die traditionellen Jazzfans irgendwie recht hatten… ein paar Jahre später gab es in Lyttletons Band eine Saxophonsection an Stelle der Klarinette, und die Musik ist vielleicht nicht gerade Bop – aber auch sicherlich kein Dixieland mehr… ich hab zB dieses Album von 1964, auf dem eine Lyttleton Band mit zwei Saxophonen (Joe Temperley und Tony Coe, no less) Buck Clayton begleitet…
The Gerry Mulligan Songbook Volume 1
eine Nummer 1, von der es keine Nummer 2 gibt… aber ansonsten bin ich mit meiner neuen Platte extrem zufrieden – find es sowieso toll, dass ich auch nach all den Jahren noch in einem Laden Platten finden kann, die genau mein Ding sein müssten, aber die ich noch nie gesehen hab… dieses Album von 1958 war wohl eigentlich an der Westküste mit einem Saxophonsatz aus Lee Konitz, Art Pepper, Bob Cooper, Bill Holman und Gerry Mulligan geplant worden, arrangiert hat Holman… aber dann musste es aus logistischen Gründen in New York aufgenommen werden, Konitz war scheinbar wichtig und ist trotzdem dabei: Konitz/Mulligan waren ja die beiden Saxophonisten von Miles‘ Birth of the Cool Band, die hier schon irgendwie Vorbild ist, trotz der anderen Besetzung, sie spielen auch unter anderem Venus de Milo, eine von Mulligans Kompositionen für Birth of the Cool… die anderen drei Saxophonisten sind aus der New Yorker Szene, Allen Eager, Zoot Sims und Al Cohn… im Vergleich hat man jetzt also quasi auf den ersten Blick einen Tenoristen zu viel, bräuchte eigentlich zwei Tenor und ein Alt… auf den zweiten Blick ist das alles aus irgendeinem Grund noch viel komplizerter, weswegen Eager und Sims auch Alt spielen und Cohn teilweise auch Bariton… Vielleicht ist die Idee, dass man so von einem Four Brothers Sound mit drei Tenoristen auf einen tenorfreien Birth of the Cool Sound umschalten kann und zurück… es gibt jedenfalls viel sehr gutes Saxophonspiel zu hören, was ja bei der Besetzung auch kein Wunder ist… in der Rhythmusgruppe hat es zunächst eine pianofreie Section aus Henry Grimes und Dave Bailey, nicht unerwartet ausser dass Dezember 57 natürlich früh für Grimes ist… wie Mulligan in den Liner Notes allerdings anmerkt, seien diese pianolosen Settings für die Intonation des Bassisten eine Herausforderung… weswegen man sich für die Ergänzung von Freddie Green als Rhythmusgitarristen entschieden habe… da wüsst ich mal gerne, ob die Rolle in den ursprünglichen Arrangements von Holman für die Westküste auch schon angelegt war… Green ist hier komplett unauffällig – aber gerade das macht ihn natürlich irgendwie einzigartig…
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