Antwort auf: blindfoldtest zum jahresende

#12417057  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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thelonica hier bei den ersten drei Stücken hätte ich nicht vermutet, dass vorgarten das gefällt.

warum? (interessiert mich wirklich)

ich mag jetzt keine stereotype über weißen westcoastjazz aufwärmen, aber mir ist natürlich das filmische und meine idee der atmosphäre sehr nah, und ich mag natürlich interessante arrangements genauso wie modulierte individuelle instrumentensounds, und davon gibt es ja hier genug. im ersten stück gibt es immerhin 10 soli hintereinander, ohne dass es langweilig wird – was an der facettenreichen komposition liegt, aber auch daran, weil sich leute gedanken gemacht haben (eben: wie wird das denn nicht langweilig?). und zwischendurch die dramatik, im leichten aufbrausen des bläsersatzes, wie ein szenen- oder lichtwechsel. im zweiten stück mag ich, wie die einfache melodie nicht verkompliziert, sondern als voraussetzung dafür verwendet wird, den besonderen sound im eigenen spiel zu erzeugen. und das in einer knappen, fast sketchartigen situation. und im dritten dann gibt es plötzlich das energetische element, den – wie redbeans ja bemerkt hat – etwas aufgekratzten ton des altsax, der eine spannung hat und transportieren will. film noir, aber auch die melancholie der etwas radnständigen existenz und die etwas nerdigen musiktheoretischen ambitionen – da passen diese leute und wilder sehr gut zusammen. gunther schuller würde hier noch passen, der hat sich tatsächlich sehr intensiv mit wilder beschäftigt.

thelonica
5 das mag ich auch etwas mehr, hat mir aber noch keiner vorgestellt. Die Gitarre ist wirklich sehr leise, aber die wurde ja bewußt so gespielt. Es könnte sein, dass der Drummer die Hi-Hat leicht gedämpft hat, auf der Bass drum spielte er einen kaum hörbaren Puls (feathering the Bass drum). Und der Bassist (Milt Hinton? Ron Carter?) ist richtig gut, am Piano spielte jemand eventuell half-time ziemlich oft, was mir auch gefällt. Es könnte eine Frau sein, oder ist das doch Red Garland? Das Konzept am Piano ist relativ zeitlos/modern, das Tempo ändert sich öfters und Blues ist auch drin. Garland mit Gitarre gibt es allerdings sehr wenig, der kann es eigentlich nicht sein. Von der Stimmung her könnte es auch Ellington sein, aber das passt natürlich nicht wirklich. Lieblingstrack hier mit Jimmy Smith, Dinah und Marvin zusammen.

gut beschrieben, ein interpretation auf zehenspitzen. ich verstehe, wo deine ellington-assoziation herkommt, aber hauptverdienst an der sophistication hat auch die komposition, die im titel schon das formexperiment verrät. eins der tollsten wilder-themen, eine kippfigur. aber mehr darf ich nicht verraten. keine frau am klavier, und kein garland, der leider zu selten was von wilder gespielt hat („trouble is a man“, mit coleman hawkins).

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