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Fortsetzung von Teil 1:
Aber zur Musik: Man kann unter diesen 8 Aufnahmen das kleine Stück Blues Mister Brim hören, eine mir ansonsten unbekannte und eigentlich auch nicht besonders nennenswerte Kompositionen, von der es auch nur eine einzige Aufnahme gibt. Offizieller Komponist und Bandleader war wohl der damals sehr geschätzte Gitarrist Bill DeArango, der sich später aus dem Musikerleben zurückzog. Ich vermute aber, das ist im Studio mehr oder weniger improvisiert worden. Und vielleicht ist es gerade die Spontanität, die diese Aufnahme ausmacht. Jedenfalls gibt es hier ein Solo von Ben Webster (ca. 0:55 – 2:30), in dem sich für meine Ohren vieles verdichtet, was ihn ausmacht und was ich an ihm liebe.
Ich möchte nicht schon wieder aus zweiter Hand Roland Barthes („Was singt meinem Körper das Lied“) zitieren. Auch Weinkenner-Vokabular verkneife ich mir. Dan Morgenstern schreibt: „There are two Websters: The unnashamedely romantic baladeer who wears his heart on the sleeve, and the gruff ready-to-take-on-anyone blues and stomp man. Of course these are two sides of one soul and Ben Webster was soul personified.“
Aber die gleichzeitig knappste und treffendste Beschreibung von Ben Webster hat @gypsy-tail-wind in einem Zitat von David Murray gepostet: When Coleman Hawkins played, his rhythm was so dominant; whereas Ben Webster’s sound and vibrato stood out when he played. (…) a friend of mine (…) told me that one time he got a chance to play alongside Ben Webster, and he said you couldn’t stand too close to Ben ‘cause you might get hit with some spit! There was air in his sound. He was so dynamic because you could hear the note before he played it – you could hear his breath forming the note before it actually came out. Coleman Hawkins was quite different: [sings line of notes in Hawkins-like style]. Whereas Ben was: [exhales and slurs in Webster-like style]. Coleman Hawkins was like fighting with an axe, Ben Webster was like fighting with a feather! (…)
Da steckt alles von der Körperlichkeit, der oft sogar gleichzeitigen Zärtlichkeit und Schroffheit von Ben Webster drin! Und so hört sich auch dieses Solo an. Ich meine hinter dem Schleier dieser alten Aufnahme, tatsächlich Ben Webster atmen zu hören – nein: zu spüren, wie er mit seinem Atem die Töne zuerst nur zärtlich an der Oberfläche streift, um sie zum Klingen zu bringen. Es bebt, es zittert, der Körper und die Luft vibrieren, jeder einzelne Ton schwillt auf und ab, wird aus mehreren Schichten fein modelliert, und trägt bei aller Zartheit immer auch etwas Herbes in sich. Der zupackende virile Gefühlsausbruch im mittleren Teil des Solos kehrt dann genau diese Schroffheit heraus, ist aber nur scheinbar Widerspruch, ist eben die andere Seite der gleichen Sache, der Dreh- und Angelpunkt und der Höhepunkt das ganzen Solos und des Stücks.
Die anderen 7 Stücke dieser Sessions für Haven sind ebenfalls erste Güte. Zwei mal Ellingtonia (The Jeep Is Jumping, I Got It Bad …), ansonsten mir fast oder völlig unbekannte Kompositionen. Ben Webster bringt den Charakter seines Spiels in diesen 8 x 3 Minuten perfekt auf den Punkt. Idrees Sulieman; tp; Tony Scott, cl und Al Haig, p sind noch die bekanntesten der sidemen, die Band swingt wie von selbst und Bill DeArango bringt eine schöne blues-ige Note mit hinein. Und er hat auf Blues Mr. Brim (und auf Dr. Keets unten) auch das erste Solo. Das wollen wir nicht vergessen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)