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Da knüpf ich dann doch gleich nochmal zitierend an, weil ja andere Eindrücke explizit gewünscht wurden:
vorgarten
a sanctuary within (1991)
mal wieder eine murray-aufnahme für black saint, mal wieder ohne harmonieinstrument, und eine weitere begegnung mit sunny murray und kahil el’zabar (von dem ich ja nie weiß, was ich von ihm halten soll, ich habe vorbehalte, dabei fand ich das duoalbum mit murray ja großartig).
ich bin hier sehr gespannt auf andere meinungen, denn ich habe hier schwierigkeiten. das ist alles sehr schön eigentlich, rumpelig-schwebende texturen von den drums, dann die afrozentrische percussion und ein durchaus selbstbewusster bass (overwater ist in den niederlanden eine große nummer, oder, @redbeansandrice ?). moderner spiritual jazz, durchaus komplex, und murray ist eben murray hier. aber was mir gar nicht gefällt, ist, wie el’zabar da reingesetzt wird (oder sich rein setzt), der immer einen tick zu schnell spielt und dem, was sunny murray da macht, damit ständig aus dem ruder läuft. overwater finde ich auch zu stark vor dem beat. aber wie gesagt, das kann man bestimmt auch als besonders reizvoll hören, als interessante spannung, weil ja eigentlich ansonsten alles passt, der spirit, das programm, die abwechslung… und natürlich könnte man das problem auch bei sunny murray hören, der weder richtig free noch richtig auf dem punkt ist. aber auf der BALLAD FOR THE BLACK MAN am ende ohne el’zabar passt eigentlich alles…
Ich tue mich hiermit auch etwas schwer. Murray ist sich selbst, in der Tat, aber das ist er inzwischen schon so oft gewesen, dass das allein kaum noch ausreicht, um ein Spitzenalbum zu machen. Dazu braucht es inzwischen halt auch einen wirklich passenden Rahmen, und den kriegt Murray hier nicht so wirklich. Das Setting mit ts/b/d/perc gefällt mir an sich schon sehr gut und El’Zabar mag ich in der Regel (das Duo-Album von El’Zabar/Murray kenne ich leider noch nicht, ist bisher auch nicht bestellt oder so) … aber die rhythmischen Schwierigkeiten höre ich auch. Am Ende wirkt es eher so, als sei Overwaters Kontrabass hier der Kern. Dabei weiss man ja, dass das kaum je so ist und die Bassisten sich mit ihrer Time den Drummern fügen müssen, wenn nicht alles auseinanderfliegen soll … und das geschieht hier nun wirklich nicht, im Gegenteil: bei allen Reibungen wirkt das ziemlich kompakt. Die Reibungen sind aber nicht spannend oder können sogar irgendwie produktiv umgenutzt werden (vgl. „Money Jungle“) sondern führen bei mir eher dazu, dass ich mich manchmal einfach etwas nerve. Und was auch nicht hilft ist, dass nach einigen okay-langen Alben (50-60 Minuten) dieses hier wieder Überlänge hat. In der Mitte steht in zwei Teilen das Titelstück, der ersten Teil im Duo mit Murray – und nach „Real Deal“ drängt sich halt schon sofort das „was wäre wenn“ auf: Murray & Murray auf Albumlänge im Duo. Sobald die anderen zwei wieder einsteigen, sinkt die Spannung in der Musik wieder.
Inzwischen, das ist auch nochmal der obige Punkt mit dem Spitzenalbum, ist ein mittelmässiges Murray-Album ja längst wirklich eine Enttäuschung – auch wenn es „dank“ Bob Thiele noch immer recht viele davon gibt. Und das hier reiht sich halt auch da ein. Schlecht ist es deshalb echt nicht, weil Murray einfach eine Bank ist und zahlreiche schöne Soli spielt, oft sehr melodisch und riff-artig in diesem harmonisch offenen Rahmen, und recht oft auch ohne Ausbrüche ins Falsett, Multiphonics usw. Meine Highlights sind „Waltz to Heaven“ (für Helen Murray, eine Tante von David), „A Sanctuary Within – Part I) und der von vorgarten schon herausgestrichene Closer „Ballad for the Blackman“, in dem Murray wirklich umwerfend ist und die Rhythmik-Probleme halbwegs begrenzt scheinen – das Stück ist zugleich total entspannt und auf eine gute Art nervös verdichtet, und Murray ist hier unfassbar gut.
Damit bin ich – abgesehen vom Album von Teresa Brewer, das ich nachher beim Kochen nochmal anhöre – mit 1991 durch. Krasses Jahr!
Und weil das alles so krass ist: der Index ist nicht mit den exakten Aufnahmedaten abgeglichen, ebenso hab ich nicht überall nachgeschaut, ob es eine zweite Jahreszahl für ein verzögertes VÖ-Jahr bräuchte. @vorgarten hat das Jahr bzw. die Jahre dankenswerterweise oft in hervorgehoben in seinen Posts, aber „A Sanctuary Within“, 13./14. Dezember aufgenommen, kam wohl sicher nicht noch im selben Jahr raus … das Aufnahmejahr ist im Index aber stets drin und vielleicht im Rückblick auch bedeutsamer, zumindest bei solchen Hördurchgängen, wie vorgarten und ich sie hier grad unternehmen. (Meine Posts zu Alben mit Ulmer habe ich nicht hier reinverlinkt, die finden sich im Ulmer-Faden auf ca. Seiten 14-16.)
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