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vorgarten
david murray & milford graves, real deal (1991)
noch was aus 1991 und aus der ming-periode, und wieder was völlig anderes und alles andere als harmlos. die beiden hatten in den 80ern schon miteiannder gearbeitet, der großartige dokuemtarfilm SPEAKING IN TONGUES dokumentiert das kennenlernen und die gemeinsame praxis (mit tollen thesen von beiden, u.a. der von murray, dass afroamerikanische menschen deswegen so oft herzprobleme haben, weil die westafrikanischen drum-patterns aud 2 und 4 dem herzrhythmus entgegenlaufen, wenn ich mich richtig erinnere – „minderheitenstress“ war damals noch kein thema). jetzt, 1991, nutzt der gut etablierte saxofonist, der im jahr 10 plus x leaderalben aufnehmen kann, seine stellung, um einen veteranen einzuladen, der zu dieser zeit kaum mehr zum aufnehmen kommt.
graves, mit seinem ganzheitlichen spielkonzept, bringt tatsächlich eine ganze welt mit, auf der sich murray ein bisschen mitbewegt und die er manchmal auch ein wenig antreibt. das zusammenspiel ist wach und existenziell, murrays neue lust auf dramatik und entwicklung passt gut zu diesen polyrhythmischen angeboten – da wird nichts verpulvert, es mäandert nichts, kein faden geht verloren, alles setzt sich an seinen platz. es ist allein sonisch ein großes vergnügen zu hören, wie diese große apparatur von graves in schwingung kommt. eine erstbegegnung, und ich bin mal wieder einmal sehr beeindruckt.
Das ist bei mir nun keine Erstbegegnung – und ein wirklich tolles Album! Ich glaube, das war nach dem „New York Art Quartet“ (das mir zu früh in die Hände gefallen ist, als dass ich es gleich verstanden hätte) aber meine Erstbegegnung mit Milford Graves. Graves‘ Spiel ist atmend, schwungvoll, hochdynamisch … und ziemlich trommellastig grundiert, obwohl er ständig alles spielt, oft mit gefühlt zehn Händen und Armen. Dass Graves ziemlich viel afrikanisches Elemente in sein Spiel integriert hat, ist eine Binsensweisheit (Howard Mandel spricht in seinen Liner Notes die ganze Breite an: „He has studied North Indian tabla music, practiced hand-drumming, absorbed Nigerian, Ghanaian and Cuban rhythm systems, developed a tonal-rhythm theory, employed music as a psychological therapy and contributed to the contemporary abstraction of the beat.“ [ich hab zwei Tippfehler stillschweigend korririgert, war mir bisher gar nie aufgefallen, das DIW diesbezüglich Probleme hatte]) – und wenn Murray Murray in „Under & Over“ an der Bassklarinette rifft, klingt auch er für einmal völlig anders. Er geht nicht nur hier sondern auch sonst immer mal wieder wirklich eher mit – und dennoch wirkt das total auf Augenhöhe. Es zeugt auch von Respekt, den Anderen mal machen oder gar das Steuer übernehmen zu lassen – das ist ja nichts, was Murray allzu oft tut oder bis hierhin getan hat (die Begegnung mit Bobby Bradford hörte ich gerade aber auch sehr auf Augenhöhe, was definitiv auch mit der Wahl der Sidemen zu tun hat – James Newton wurde halt einfach zur Murray-Band dazugenommen und das funktioniert schon deutlich weniger gut).
Howard Mandel erzählt in den Liner Notes, dass das Duo zwei Abende im New Music Café in Manhattan gespielt habe, bevor es ins Studio ging (Power Station, Jim Anderson – exzellenter Klang in der Tat, und darin wieder ein Kontrast zur letzten Thiele-Produktion … war der schon halb taub um die Zeit herum?) und listet all die Schlagzeuger auf, mit denen Murray bis dahin gespielt und aufgenommen hat: Ed Blackwell, Steve McCall, Philip Wilson, Joe Chambers, Dennis Charles, Andrew Cyrille, Jack DeJohnette, Roy Haynes, Billy Higgins, Elvin Jones, Sunny Murray, Ronald Shannon Jackson, Cornell Rochester, Ralph Peterson Jr., Marvin „Smitty“ Smith und Tani Tabbal. Das ist schon eine ziemlich beeindruckende Liste. Sonst fokussiert er mehr auf Graves, der einem breiten Publikum vermutlich deutlich weniger bekannt war und ist. Es führte mit ihm auch ein Gespräch und da sagt der Schlagzeuger unter anderem Folgendes: „You don’t have to scream all night like in the ’60s when people flooded out a lot of energy all the time. If Albert Ayler was alive today, he’d play differently than he did then. David was responsive to me. I’d start things off, and he’d create a melody. I’d leave spaces for him, and he’d fill them in. He relates to whatever situation he’s in. Doing so, he brought out a different person in me.“ Mandel schliesst seinen Text passend: „This is the real deal. The music remains here and now.“
(Gestern abend geschrieben, abzuschicken vergessen, zum Glück den Browser nicht geschlossen!)
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