Antwort auf: David Murray

#12373699  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,134

vorgarten

black & black (1991)

zwei 1991er sessions habe ich noch, beide für bob thieles red-baron-label, der dort einen neuen sidekick installiert hat (als arrangeur und komponist), den veteranen glenn osser, in den 1910ern geboren, songwriter, orchestrierer, mit bigband- und tv-hintergrund. er hat hier mit thiele zusammen zwei ganz hübsche songs geschrieben, eine pseudo-bossa mit jazzharmonik, und eine ballade auf blues-basis. dazu kommen zu beginn noch ein pseudo-calypso mit jazzharmonik und ein simples bluesriff von anderen komponisten. die zusammengestellte band hat es in sich, auf diesen vier stücken ist sie ein quartett, und murray kommt nach jones, blackwell, higgins, graves, murray mit einem weiteren veteranen zusammen, nämlich roy haynes (rashied ali kommt ja irgendwann auch noch).

das ist eine gepflegte mainstream-musik der heißeren sorte, und man kann lange darüber nachdenken, warum sie nie zu irgendwelchen höhepunkten findet oder finden will. für murray sind haynes, santi debriano und kirk lightsey irgendwie zu busy im engen korsett der vorlagen. man versteht gleich, warum das mit idris muhammad z.b. besser funktioniert. lightsey mag ich eh nicht so gern, der macht zu viel und nichts davon ist wirklich interessant, er kann sein inside-playing nie so dramatisieren wir z.b. hicks, ihm fehlt aber auch so ein frischer gedanke wie z.b. einfach mal innezuhalten und raum zu geben. nur in der ballade gelingt ihm etwas, und er fährt sie auch in fast epischer breite nach hause.

dann aber kommt stück nummer fünf, marcus belgrave kommt dazu, und alles fällt in die richtige spur: freie improvisation, hellwache begleitung, roy haynes knippst seinen berühmten freien swing an, selbst lightsey denkt um die ecke. natürlich wollte thiele kein album nur mit solchen spontanen momenten haben – aber ich bin heilfroh, dass das am ende noch kommt.

Ich blende ein paar Tage zurück, zum ersten Album aus dem Oktober 1991, und das hörte ich neulich schon mal im direkten Kontext des „Special Quartet“ und dabei finde ich die Personalie am Schlagzeug enorm aufschlussreich: Roy Haynes geht hier in die Vollen … vielleicht so, wie es Tyner im anderen Quartett tut. Mit Lightsey und Debriano wird das zumindest im Opener wirklich sehr geschäftig, aber ich höre das etwas positiver, als gemeinsame Gruppenmusik, in der nicht Murray explodiert sondern alle vier gemeinsam etwas auszuloten scheinen, und das wird auch anderswo sehr intensiv. Der Closer mit Belgrave ist aber auch für meine Ohren das grosse Glanzlicht – das ist ein Musiker, den ich irgendwie nicht zu fassen kriege … hier aber sofort bedaure, dass er nicht auf dem ganzen Album mitspielen konnte oder durfte.

In den mittelschnellen und einfachen Stücken – „Duke’s Place“ und „Black and Black“ – legt sich die Hektik und Haynes treibt die Band vergleichsweise wuchtig vor sich her … um hinter Lightsey in eine leichtere Gangart zu wechseln. Alte Schule halt: jedem Solisten das zu geben, was passt, aber dennoch nicht den grossen Bogen aus den Augen verlieren.

Ich finde das Album unterm Strich ganz gut – auch wenn das Klavier wieder ziemlich arg an aufnahmetechnisch erzeugtem Körpermangel (zuwenig Mitten und Bässe) leidet. Und das Album höre ich zum zweiten Mal, nach dem ersten Hörgang vor zwei oder drei Wochen – beide Male in digitaler Behelfsausgabe, was wohl schon reichen wird in diesem Fall.

PS: Haynes kam ja genau genommen noch vor Graves an die Reihe (7. Oktober vs. 3. Novmeber). Dass Rashied Ali noch folgt, hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm („Body and Soul“ hatte ich allerdings einzeln, bevor die drei Boxen erschienen sind – aber so richtig geklickt hatte das damals nie, bin aufs Wiederhören gespannt).

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba