Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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death of a sideman (1991)

eine suite, von bobby bradford zum tod des langjährigen (seit 1965) musikalischen partners john carter komponiert, mit dem murray ja auch im clarinet summit gespielt hat. das quartet hier besteht eigentlich aus murray, bradford, hopkins und blackwell (mit dem bradford noch länger zusammen gespielt hat, in der frühen ornette-band, vor cherry), allerdings ist bei zwei stücken und einem zweittake auch noch dave burrell wieder dabei, in den ich mich nach drei akkorden sofort wieder verliebe. bradford ist großartig hier, das projekt angemessen bitter (er konnte nach der todesnachricht carter nur noch am armengrab besuchen und fragte sich, ob sich das leben eines künstlers eigentlich lohnt, wenn es darauf hinausläuft), das spiel aber oft übersprudelnd und jubilierend – toll, wie murray sich in die coleman-quartett-sprache einfügt, über den kickenden grooves von hopkins & blackwell, der ja leider auch nicht mehr viel zeit hatte. mit burrell wird das alles dann zur getragenen grabmusik, mit kleinem irrlichternden zwinkern. zum ersten mal gehört.

An Tag 5 und 6 kommt eine andere Band zusammen: ein bestens vertrauter Bassist (und der passende Gast am Piano), ein Drummer, der auch schon bei Murray aufgetaucht ist – vor allem aber ein Trompeter bzw. um genau zu sein ein Kornettist, bei dem bei mir immer die Gefahr besteht, dass er mit seinem so betörend zarten Spiel alles in den Schatten stellt, was sich um ihn herum tut (ähnlich Harry Beckett, der ja bei Murray – wenngleich eher zufällig – auch mal auftauchte). Er spielt im Opener seiner Suite für John Carter, seinen wichtigsten musikalischen Partner, das erste Solo – und ist auch hier gleich wahnsinnig berührend. Für meine Ohren gibt es wenige so auratische Stimmen. Hier ist Burrell am Klavier dabei, auf den letzten beiden der acht Teile dann auch wieder. Der Kontrast durch die andere Rhythmusgruppe ist aufschlussreich: Hopkins ist ähnlich dunkel aber nicht ganz so tieftönig, spielt mehr in die Höhe, spielt überhaupt mehr Töne. Blackwell ist kleinteiliger, legt nicht diese lasziv gewobenen Teppiche aus sondern tanzt quasi in steter Bewegung elegant durch die Musik hindurch – auch wenn das, wie im Opener, ein Begräbnismarsch ist. Die beiden Bläser vermischen sich wahninnig schön, auch im Duostück „The Gates of Hell“ – und Murray in der Form, in der er gerade ist, lässt sich natürlich von Bradford nicht einschüchtern und setzt selbst ein Glanzlicht am anderen. „Waiting for Thelonious“ ist sowieso ein grosses Highlight, Murray liefert hier wieder so eine Traditions-Summa – ein Meisterstück in ein paar wenigen Minuten … wie er in den letzten Phrasen das Tempo verschleppt ist atemberaubend, ganz alte Schule. Im Quartettsegment kann man mit Bradford und Blackwell da und dort durchaus das Coleman Quartet heraushören – das ist luftig-transparente Musik, die aber zugleich total geerdet ist und in sich ruht.

Hier bin ich übrigens nicht sicher, ob ich das Album schon mal angehört habe, oder ob es wie „Big Band“ ein paar Post weiter oben nicht einfach ein paar Jahre da ist, aber noch gar nie in den Player wanderte. So toll, wie ich es gerade finde, glaube ich eher, dass ich es gerade zum ersten Mal anhöre – sonst könnte ich mich doch daran erinnern!

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