Antwort auf: David Murray

#12372001  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
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vorgarten

remembrances (1990)

bin wieder zurück bei murray und in den frühen 90ern, was eine phase ist, die ich ganz gut kenne – ein paar dieser cds habe ich damals schon bei etwas späteren köln/saturn-besuchen mitnehmen können, so auch diese hier. mit ragin, burrell und tabbal ist gewährleistet, dass die eher bekloppte seite von murray zum vorschein kommt, und das ist wikrlich lustig anzuhören. wenn ich das programm richtig verstehe und das cover richtig deute, geht es um frühe musikalische einflüsse, und tatsächlich ist das materal eklektizistisch zusammengestellt – um es postmodern von den 90ern aus freundlich in die mangel zu nehmen. plötzliche tempo- und groove-wechsel gehören dazu, eine komplettimplosion von burrell während des dritten stücks (das tollste solo, das ich von ihm kenne, in „dartman“), roboterhaft gespielte ragtime-figuren, schmalzige spirituals, immer wieder zirkus-wirbel von tabbal (den ich ja ohnehin super finde), elefantenhaftes schmettern und sirenen-ausbrüche vom trompeter usw. murray selbst geht bei sowas mit, hält aber einen fuß in der ernsthaftigkeit. und eigentlich will das alles auch nichts ins lächerliche ziehen. aber in irgendeine tiefe führt das auch nicht.

Ich hab da gar nicht viel anzufügen … das ist eindeutig die Fun-Schiene, die ich oben ja schon angesprochen habe (klar ist es was anderes, wenn sowas von David Murray oder Lester Bowie kommt statt von Willem Breuker oder dem Italian Instabile Orchestra – aber das Ergebnis ist halt oft schon recht ähnlich), und die ich bei Murray glaub ich eher nicht brauche. Vielleicht könnte man das auch als eine Art domestizierte Adaption der frühen „play it to the public“-Ansätze im Zeitalter des gepflegten neo-konservativen Jazz um 1990 herum lesen?

Die Aufnahme klingt wunderbar (erst recht wieder im Vergleich mit derjenigen aus Köln), die Personalie am Schlagzeug hilft vermutlich im Hinblick auf das stimmigere Ergebnis: Battle ist irgendwie alte Schule und hat eine völlig andere Spielhaltung als Tabbal, dünkt mich. Der geht mit, gestaltet viel stärker, was der Musik vielleicht aber zum Teil auch etwas den Boden nimmt, den sie bei all den irren Flügen und schnellen Wechseln durchaus brauchen könnte (um etwas tiefer oder auch bloss ernsthafter zu werden)? Wird bestimmt nie ein Lieblingsalbum, trotz des Covers, das ich ganz witzig finde.

Meine Lieblingsstücke hier sind die letzten beiden, in denen der Fun-Regler runtergedreht wird. Das Thema von „Dexter’s Deck“ klingt ein wenig nach Butch Morris, der leise Latin-Touch ist klassischer Murray (nach 15 Jahren im Geschäft kann man das schon sagen, oder?), Ragin und Burrell spielen nach dem Leader weitere starke Soli – beide für einmal ohne Ausbrüche und doch nicht zurückhaltend wirkend. Im Closer, Murrays Titelstück, spielt der ein grossartiges Balladensolo, Ragin steigt hinter ihm ein und es entwickelt sich ein bezaubernder Dialog, aus dem hinaus sich dann auch noch ein sehr schönes Trompetensolo entwickelt.

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