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Hatte falsch geguckt – auf dieser CD, die gerade im Briefkasten lag, ist das Studio-Debut von David Murray zu hören, In the Beginning vom Trompeter Ted Daniel, erschienen wohl 1997 (auf „Spring 1997“ sind die Liner Notes datiert). Am 12. April 1975 versammelte der eine ziemlich illustre Band um sich: Hassan Dawkins (ss), Arthur Blythe & Oliver Lake (as), Kappo Umezu (as, bcl), David Murray (ts), Charles Tyler (bari), Richard Dunbar (frh), Melvin Smith (g) und Tatsuya Nakamura (perc). Zwei Stücke sind bei der Session entstanden, „Hassan“ und „Illusions“ (anderswo sieht es nach „Greetings“ and „Illusions“ aus, aber in seinen eigenen Liner Notes passt die erste Option, denn Daniel erwähnt Solisten). Am 21. Mai gab es noch eine Session, bei der Ahmed Abdullah (t), Charles Stephens (tb), Danny Carter (ts) [das ist natürlich Daniel Carter], Richard Pierce (b) und Steve Reid (trap d) anstelle von Blythe, Lake und Murray dabei sind. Bei dieser zweiten Session entstanden der kurze Opener „Greeting“ mit Soli von Daniel und Lake sowie einem Schlagzeugduo von Reid/Nakamura und das 22minütige „Folley“ von Charles Tyler, das längste der insgesamt vier Stücke. Dort hören wir den Komponisten, Dunbar, Umezu (as), Smith, Carter, Reid/Pierce, Daniel, Lake, Stephens, Umezu (bcl)/Tyler, Lake … und dazwischen immer wieder Kollektivimprovisationen oder Passagen, die zwei oder drei der Musiker gemeinsam prägen, einmal gibt es auch ein gemeinsames Thema der beiden Trompeter. Unschwer, sich vorzustellen, dass das phasenweise richtig heftig wird. Toll finde ich den Einbezug einer recht wilden Gitarre: Daniel schreibt über Smith: „He is also one of the few guitarists who acknowledge the debt to the late Sonny Sharrock.“
Murray ist im recht kurzen „Illusions“ der erste Solist und natürlich sofort im roten Bereich. Dann folgt eine längere Kollektivimprovisation, das Thema wird aber immer wieder angespielt, auch um schliesslich den Komponisten Blythe einzuführen, der das nächste Solo spielt, bevor Nakamura an einem seltsam klingenden Drum-Kit („misc. percussion, tubular drums“ steht in den Credits – letztere werden da wohl sein) auch noch ein kurzes Solo spielt. Das andere Stück der Session mit Murray ist der Closer der, „Hassan“, elfeinhalb Minuten lang und von Lake komponiert. Auch hier gibt es ein Murray-Solo – Daniel weiss nicht, welches bei der Session zuerst gespielt wurde, denn er schreibt, beide Soli könnten das erste von Murray im Studio aufgenommene sein. Blythe hatte Murray mitgebracht, man kannte sich aus Kalifornien. Und der Neuling ist wieder der erste Solist, gefolgt von Umezu (bcl) und Daniel (flh), der einen echt schönen Schlusspunkt setzt, wo er sonst ja gar nicht prominent zu hören ist auf seinen eigenen Sessions. An Murrays Spiel finde ich interessant, dass seine Rhythmik so früh sehr anders zu funktionieren scheint. Es gibt auch bei einem etwas konventionelleren Solo wie diesem zweiten auf der CD keine Flow, eher eine Art Marschieren, in das aber – jetzt mal rein auf rhythmischer Ebene – kein Stottern eingebaut ist, der paradiert da quasi durch und will von allen gesehen werden, während seine Phrasen natürlich stottern, spucken, rattern und knallen. Vielleicht ist das sowas wie der Bar Walk der Freejazzer?
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