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Gut, Einkauf gemacht, Wohnung geputzt (bei der Hitze, uff) – und jetzt bereit für Runde 3: Ballads, das einzige der Alben, das ich schon kannte. Nicht gut kannte, auch weil es als einzelnes, recht kompaktes und von der Tonlage her – hier gibt es dann doch einen programmatischen Titel – eher zurückhaltendes Album nicht den Eindruck gemacht hat, den es jetzt im Kontext zurück lässt. Der Opener ist ein Latin-Romp von Burrell, „Valley Talk“ (was in der Ellington-Linie eine Bezeichnung für die Vulva wäre), mit tollem Beat und einem Halftime-Groove vom Bass. Murray spielt relativ zurückhaltend, aber unglaublich gut – und wieder mit dieser überragenden Souveränität, wie ich sie sonst im Jazz nur bei ganz, ganz wenigen höre (Armstrong, Rollins, manchmal Coltrane – und das ist glaub ich schon die ganze Liste). Umwerfend! Repeat. So ähnlich geht es weiter, auch in den eigenen Stücken spielt Murray ähnlich, eher verhalten aber wahnsinnig gut – und gerade so gut ist die Begleitung, Peterson ist auch an den Besen interessant, setzt Akzente. Ich denke er kann auch so frei agieren, weil Hopkins‘ Bass wie ich es oben nannte das Gravitationszentrum der Band ist. Das befreit auch Burrell, der hier viele klassisch schöne Akkorde beisteuert, aber eben doch frei ist, auch mal eine kleine Gegenmelodie, ein kleines repetiertes Riff oder was auch immer zu spielen. Das läuft einfach, die sind so super aufeinander abgestimmt, dass jeder stets machen kann, worauf er Lust hat – im Rahmen der Vorlagen natürlich, und die bleiben hier eher eng abgesteckt. In der langen „Ballad for the Black Man“ wird Murray etwas dichter, ohne wirklich die Intensität zu steigern, auch wieder ein irre gutes Solo, und irre der Einstieg von Burrell, der sich dann aber zunächst der Improvisation fast völlig verweigert und einfach in der Form bleibt, dazwischen ein paar Arpeggien oder Läufe einstreuend, aus denen er dann allmählich doch zu freieren Linien findet, stets in der Nähe bleibend (da kommt mir der Film von Agnès Varda in den Sinn, über den ich gestern gelesen habe: sie bewegte sich so weit von ihrem Atelier/Appartement wag, wie das Kabel ihrer Kamera reichte – und in dem Radius, bzw. so weit die Strasse hoch und runter, konnte sie halt drehen … so bleibt Burrell hier beim Thema, das aber von Murray stammt). Burrells zweites Stück, „Paradise Five“, ist wieder ein Latin-Romp mit langsameren 4/4-Passagen dazwischen, und hier dreht die Band, vor allem Murray und Peterson, etwas hoch. Petersons „Lady in Black“ ist dann eine Vamp-Nummer – mit leisem Coltrane-Einfluss im Ton des Leaders, bilde ich mir ein. Der Closer stammt dann wieder von Burrell, „Sarah’s Lament“ – @vorgarten schreibt, das könnte von Andrew Lloyd Webber sein, wie ein Pop-Song klingt das tatsächlich. Murray wird quasi funktional, verschmilzt fast mit dem Klavier – wenn ich mir die Duo-Tracks hier anhöre, brauche ich wohl auch mal noch die ganzen Alben, die Murray mit Burrell im Duo gemacht hat.
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