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Gerade läuft Lovers, und damit hab ich den mythischen Raum der Januar-1988-Quartett-Sessions betreten. Und ich höre gebannt, wie hier etwas durchbricht, ein neues Plateau erreicht wird: Murrays Bewegung zum Mainstream trägt hier richtig Früchte, das ist unglaublich toll, atmet einen ziemlich freien Geist, auch wenn er in den Changes bleibt, recht klassische wirkende Soli mit einem irren Flow spielt. Wie er den Ton kontrolliert, welche Nuancen er dabei immer wieder findet – das ist atemberaubend. Fred Hopkins und Ralph Peterson Jr. sind eine perfekte Rhythmusgruppe, Dave Burrell agiert oft scheinbar unauffällig, hat aber eine grosse Präsenz, prägt den Sound des Quartetts stark – und tut das nicht quasi als outsider looking in (Anthony Davis mit dem Oktett) und – überraschend eigentlich, wenn man seine Vergangenheit kennt, nicht? – oft auch ziemlich ruhig. Dabei aber durchaus mit einem Hang zu einer Art surrealistischem Kitsch … ich muss irgendwie – weit hergeholt, ich weiss – schon mal an Screamin‘ Jay Hawkins denken. Das Klaviersolo im dritten Stück, „In a Sentimental Mood“, ist wirklich von einem anderen Stern: das kommt eben doch von weit, weit aussen, aber auch von ganz tief drinnen. Wie Murray nachher sein Saxophon heulen lässt – alte Schule, älteste, eine rohe Emotionalität, die ihm 1988 keiner der Junglöwen nachmacht. Und überhaupt eh keiner, nicht mal Sonny Rollins, weil der sich nie mehr solche stimmigen Bands zusammenstellen … welches Modalverb ist denn das richtigen: konnte, wollte? Dass das keine bei unzähligen Gigs eingeschworene Band ist, würde man echt nie erraten. Burrell bringt auch sein „Teardrops for Jimmy“ (Garrison) mit, Peterson hat „Water Colors“ im Gepäck, als Closer gibt es ein Stück vom Produzenten Kunle Mwanga („Nalungo“ für Nalungo Mwanga), dazu auch „Lovers“ und „Ming“ von Murray. In Letzterem spielt Burrell auch ein völlig beklopptes Solo, irgendwie tonal, irgendwie auch nicht, irgendwo melodisch, aber es droht immer wieder eine Entgleisung, manche Phrasen hämmert er wie am Schlagzeug, andere haucht er ganz zart, schlittert fast in Cluster … Wahnsinn! Flasht mich gerade von Anfang bis Ende, dieses Album!
Das Cover meiner CD ist nicht ganz so bunt wie der Scan oben, aber die pinken Streifen im Albumtitel oben korrelieren mit dem leisen Pinkton im Foto – das gelblichen Stellen in den Bäumen und das Grün im Vordergrund sind schwächer, heller. Vielleicht ist das Bild von Discogs auch erst beim Scannen so kontrastreicht geworden?
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