Antwort auf: David Murray

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gypsy-tail-wind
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Hope Scope – fünfte und letzte Runde mit dem Oktett bei Black Saint: A & R Studios, NYC, 12. Mai 1987. Ralph Peterson ist schon im Opener am Schlagzeug eine Präsenz. „Ben“ heisst das Stück, Ben Webster gewidmet, und an den erinnert Murray manchmal ein wenig, während das Bläserarrangement Ellington aus der Jungle-Phase mit Wah-Wah-Blech mit der Lockerheit (und sloppiness) von Basie KC-Swing kombiniert (die sloppiness konnte Ellingtons Band aber auch – und bei beiden kann das sehr toll sein … das ist ein Aspekt, den ich auch bei Mingus wiederhöre, diese „atmenden“ Phrasierungen, wenn jeder bei sich ist und doch irgendwie alles zusammengehört – nicht das effektvoll perfekte eingeschliffene, wie es die Basie-Band der Fünfziger dann verkörpert). Rasul Siddik spielt nach dem Leader ein irrlichterndes Trompetensolo, und dann folgt eine schöne Überraschung. Und eine grosse: das eigenwillige Altsaxsolo stammt von niemand geringerem als von James Spaulding, der wichtigsten neuen Personalie hier, der echt super klingt mit schwerem, leicht heiserem Ton. Am Klavier ist Dave Burrell zu hören – mittelfristig der bedeutendste Neuzugang, aber in diesem Rahmen noch nicht so prägnant. Hugh Ragin (der auch den Lead übernimmt und im zweiten Stück zu hören ist – wenn man die Soli nebeneinanderhält, sind die unteschiedlichen Stile recht klar zu hören), Craig Harris und Wilber Morris sind erneut dabei. In seinem „Same Places New Faces“ ist dann Harris als erster dran, extrovertiert, vokal wie immer. Aber auch das ist ein recht konventionelles Arrangement – und ich finde Peterson in der Hinsicht echt wichtig: sein zupackendes, wuchtiges aber doch sehr bewegliches Schlagzeug ist eine Art ständiger Störfaktor und sorgt dafür, dass keine Beschaulichkeit aufkommen kann. Die wird am Ende mit zunehmender Wildheit und einem kollektive Ausbruch eh vertrieben, in den Burrell ein paar schimmernde Läufe und Akkorde schickt, bevor Peterson übernimmt. Das folgende Titelstück von Murray ist ein wilder Blow-Out, Trompetenduelle, surrealistisches Klavier, gestrichener Bass, Trommelattacken … vielleicht eine Art Vermählung von freier Improvisation mit der neulich angesprochenen Mingus-Schiene. Jedenfalls kann ich da klangliche Parallelen heraushören. Im zweiten Teil gibt es zwei Stücke, „Lester“, von Murray für Lester Young (tolles Klavierintro, danach ist der souveräne – und im Gestus hier manchmal durchaus an Young erinnernde – Leader der einzige Solist) und zum Abschluss „Thabo“ von Peterson, seinem Lehrer Michael Carvin gewidmet; wir kriegen nochmal James Spaulding zu hören, gefolgt von Harris, Murray und Peterson. Ich glaube, was mich beim Oktett generell etwas irritiert, ist die Mischung aus schludrigen Arrangements und der doch stets spürbaren Ambition, etwas Besonderes zu erzeugen. Das gelingt für mein Empfinden nicht immer, aber immer wieder … hörenswert sind die Alben sicher, aber Lieblingsalben werden sie nicht, befürchte ich.

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