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Der Mitschnitt vom 30. Januar 1978 aus der Faculté des lettres Mont Saint-Aignan in Rouen war wohl nach den Wildflower-Aufnahmen meine erste Murray-Anschaffung – und die Präsenz von Johnny Dyani am Bass war ebenso Kaufgrund wie der Leader und das Label. Lawrence „Butch“ Morris‘ Name war schon damals eine geheimnisvolle Verheissung – und ist es leider irgendwie immer noch, da ich seine Musik nie vertieft habe. Er übernimmt an der Trompete bzw. um präzise zu sein am Kornett, während am Schlagzeug George Brown zu hören ist. Bei den älteren CD-Ausgaben ist auch das Bandfoto von Michel Jules dabei, dem Fotografen, dessen Fotos Terrones später nicht mehr verwenden durfte und deshalb viele Alben mit generischen Covern neu auflegte. Auf der LP ist nebend em kleinen Bandfoto auch noch eins von Murray zu finden, das im CD-Booklet leider fehlt. Der Opener „The Fast Life“ ist ebenso sprechend betitelt wie da an dritter Stelle erneut zu hörende „Let the Musik Take You“ – das Stück kommt hier allerdings nicht mehr so verführerisch rockend daher sondern gerät viel freier, obwohl Dyani das Bass-Riff spielt und Brown durchaus einen festen und fetten Beat drunter legt. Auch das eine tolle Version, die für Gesang und Händeklatschen aufgebrochen wird. Im Opener geht Murray durch die Decke, aber irgendwie ist mir das etwas zu viel des Guten. Der Mix ist nicht so toll, man hört vom Bass zu wenig, und eigentlich auch vom Saxophon nicht so viel, wie ich gerne möchte – Murray klingt ziemlich flach, ohne Volumen (die Red-Hälfte lief neulich schon mal, die habe ich auch nur in Behelfsversion, wie zudem den ITM-Bootleg-Zusammenzug der Bimhuis-Sessions mit dem Titel „Flowers for Albert“ … das India Navigation „Flowers for Albert“ kann ich gerade nicht finden, aber ich müsste davon auch irgendeine Behelfsausgabe – CD-R, MP3, LP-Rip, was auch immer – haben). Hier ist „Monikolé“ Morris‘ kompositorischer Beitrag, und das klingt nach dem rasenden Opener recht entspannt, Murray lotet das tiefe Register seines Instruments aus, Brown profitiert am meisten vom Mix, ist hier aber echt toll. Zur Verwirrung um die beiden George Browns (einer, George „Dude“ Brown, spielte mit Earl Bostic, Sonny Stitt, Gene Ammons, dieser hier mit Wes Montgomery, John Patton – auf „Boogaloo“, wo John Zorn ihn in den Liner Notes ziemlich euphorisch bespricht und einen „serious motherfucker“ nennt – und später Frank Lowe, Murray usw.) steht hier und direkt davor schon was, danke nochmal @redbeansandrice.
Anyway, zurück zu Murray: direkt nach „Live at the Lower Manhattan Ocean Club“ fällt das für meine Ohren ein wenig ab – auch wenn die Rhythmusgruppe echt gut ist und Morris schon irgendwie seinen Part spielt (dass er sich in „klareren Strukturen“ wohler fühlt, wie @vorgarten schreibt, vermute ich tatsächlich auch. Im Gegensatz zu Bowie ist er kein wirklicher Partner auf Augenhöhe sondern eher eine – durchaus attraktive und manchmal klanglich wirklich überraschende – weitere Klangnuance im Ganzen. Aber ich frage mich hier, ob ein Trio nicht zielführender gewesen wäre. Das folgte ja schon im selben Jahr, ein halbes Dutzend Alben später und mit neuem Drummer – da bin ich aufs Wiederhören sehr gespannt. Im sehr freien Closer „The Hill“ scheint dann die Balance viel besser, Murray ist präsent wie auf dem Album nie zuvor, sein Ton voluminös, ebenso der gestrichene Bass von Dyani. Ein starker Abschluss!
Im Februar ging fast dieselbe Band in Mailand erstmals für Black Saint/Soul Note ins Studio: Oliver Jackson ist der neue Drummer und die Sängerin Marta Contreras wirkt auf dem Opener und Closer mit – im Opener mit gespenstisch anmutenden textlosen Linien Im Studio wirkt die Band viel geordneter, was viel mit Johnson zu tun hat, der mehr auf den Trommeln spielt, mit mehr Wucht und Druck. Dyanis Bass ist recht resonant aufgenommen und die Ähnlichkeit zu Fred Hopkins, die @vorgarten anspricht, kann ich ebenfalls hören – und das Duo an zweiter Stelle, „Home“, ist wirklich toll. Und klar: hier, im Studio (dem von Ricordi, die Zusammenarbeit mit dem Barigozzi-Studio scheint erst 1979 zu beginnen) kriegt man auch Murrays irre-tollen Ton schön zu hören. Auch Morris profitiert, ist in seinem „Blues for David“ ziemlich stark – wieder ein klarer Rahmen, aber die Art und Weise, wie das Stück gespielt wird, ist schon sehr locker und frei, bei Johnson überstürzen sich die Beats manchmal förmlich (hier vor allem auf der Snare und den Becken). Während Murrays Solo wandet sich das dann zumindest im Geist in eine Free-Performance, und frei ist auch das Intro des Closers, der sich dann als getragene Latin-Nummer entpuppt. Contreras wechselt hier zwischen Worten, freien Linien und einer Art Scat-Improvissation, zu der Murray sich gesellt, während Morris Stottertöne und Plunger-Riffs repetiert und Johnson über Dyanis Bas-Peddel den Beat verschleppt.
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