Antwort auf: james 'blood' ulmer

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Music Revelation Ensemble – Cross Fire | Wenn hier ein Ornette Coleman-Stück (von Ulmer, wie alles, nur by „My Prayer“ hat Ayesha Fatima mitkomponiert) den Auftakt macht, geht es zumindest am Anfang gleich weiter mit dem Rückblick. Fürs letzten MRE-Album, am 17. und 18. Dezember 1996 im Avatar Studio (Joe Ferla) aufgenommen, ist Clavin „Hassen Truth“ Jones am Bass wieder dabei, dazu wie bisher Cornell W. Rochester am Schlagzeug – der vielleicht wegen dem Kontrabass federnder, swingender, auch vielfältiger spielt, dünkt mich. Die Gäste sind diesmal John Zorn (as) und Pharoah Sanders (ts), auf je vier der acht Stücke. Die Aufmachung der CD ist schon fast wie bei Tzadik; seit 1992 lief Avant, quasi der Vorgänger, ab 1995 gab es Tzadik – aber da war Ulmer dann raus. Auf der Rückseite des Inlays mit den japanischen Liner Notes gibt es Werbung für alle bisherigen DIW-CDs mit Ulmer – da sind 16 Felder, im 15. ist „Cross Fire“ drin, das letzte Feld ist leer, aber „Forbidden Blues“ fehlt in der Liste. Nach dem Opener klingt das alles gar nicht mehr nach Rückblick – der Kontrabass (auch mit Bogen gespielt) bringt eine neue Klangfarbe, während Zorn wie üblich zupackend-quirlig unterwegs ist (und auch die Begleitung in seinen Tracks gern mal etwas an Ornette erinnert), bringt Sanders eine dunkle, tiefe Ruhe rein – sein erstes Solo beginnt beinah unauffällig, doch bald steckt er mittendrin … ist aber im Mix so leise, dass die Wah-Wah-Gitarre des Leaders ihn ständig übertönt. Ob das zum Spiel- oder doch eher zum nachträglichen Produktionskonzept gehörte? Schön ist es dennoch, denn es betont den Dialogcharakter, den diese Formation durch all ihre Wandlungen aufrecht erhalten hat. Der Variantereichtum der Arrangements oder Settings für die Rhythmusgruppe und wie toll diese das alles umsetzt, ist mal wieder beeindruckend: auf jedem Stück was anderes, auch mal sich überlagernde Metren und Beats – und mit dem Kontrabass klingt das völlig neu. Wenn ich bei vorgarten nachlese, kann ich die Sache von Zorn und dem Respekt sofort bejahen, und die Ornette-Aspekte hörte ich ja auch sofort. Sanders und den Krawall oder die Semi-Involviertheit höre ich weniger stark – ich finde ihn auch so insgesamt die tollere klangfarbliche Ergänzung der Gruppe, auch da, wo er wirklich auf Krawall gebürstet ist („Sweet“) – aber wenn er nach dem Solo die Themenkürzel spielt, ist sein Ton so wunderschön, „sweet“ halt, dass ich schmelze). Aber klar, sein letztes Stück, „Evidence“, ist ein Highlight hier, das Stück ist wirklich grossartig! Zorn ist in seinem dritten Auftritt („Proof“) phantastisch, im vieren und letzten, dem Closer „Backbeat“ auch, aber dort spielt für meine Ohren die Gitarre die Hauptrolle. Sanders ist auch in „Prayer“ zu hören, das stellenweise wie ein halbes „You Are My Sunshine“-Cover klingt (mit Sanders) und mehrere Passagen mit Country-Polka-Beat enthält (Bill Frisell grüsst). Auch hier wieder toll, was alles ausprobiert wird, wie vielschichtig das Material wieder ist – auch wenn natürlich die die Gemischtwarenladenstimmung von „Forbidden Blues“ aufkommt. Auf jeden Fall ein vollkommen gelungener Abschluss. Mal schauen, wie das, was jetzt noch folgt gefallen wird – bin vorsichtig optimistisch aber auch etwas wehmütig, denn die ganze DIW-Strecke ist wirklich grandios (fünf Alben sind’s noch, die ich noch gar nicht bzw. oberflächlich gehört habe, plus das leider nach wie vor letzte mit The Thing von 2017; das „Plays Ornette“-Album auf DIW versuch ich grad auch noch zu kriegen … nur drei Nachbestellungen, ich bin fast etwas stolz, es hätten ja auch dreizehn werden können)

Kleine Frage: Die Flöte am Ende von #2 – noch eine weitere Klangfarbe im Gebräu – kommt schon von Sanders? Zugleich ist die Gitarre zu hören und ich gehe bei den MRE-Alben davon aus, dass sie generell ohne Overdubs gemacht wurden … fehlt halt bei den Angaben, würde aber passen, denn davor und danach spielt Sanders Tenorsax (und Ulmer ständig Gitarre).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba