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James Blood Ulmer – Harmolodic Guitar with Strings | Alice E. McClelland lautet der volle Name der Arrangeurin vom Streicherstück „After Dark“ – sie ist auch hier dabei, hat die ganze Musik gemeinsam mit Ulmer arrangiert. Gespielt wird sie von Ulmer (g, voc), der ein kurzes Solo-Intro spielt, und dem Quartette Indigo mit John Blake (Gayle Dixon, v I; John Blake, v II; Ron Lawrence, vla; Akua Dixon Turre, vc). Und ausgerechnet hier gibt es nun auch mal englische Liner Notes, die allerdings von der Grafikabteilung sabotiert werden (sehr mühsam zu lesen in mittelgrau auf hellblauem Ulmer-Gittarenhände-und–hals-Foto). Darin ist allerdings die Erzählung zu finden, wie Ulmer 1972 zu Ornette Coleman kam und dann zu seiner eigenartigen Gitarrenstimmung gefunden haben will:
As Blood reminisces about those days woodshedding, he laughs, „Coleman used to drill me, and I used to play for him so much! Like he used to get his horn and say, ‚Play B-flat. Play. E-flat. Gimme this; gimme that.‘
„I went through about six months of that. I said, ‚Listen, I’m going to find out the way to play the guitar where, when Coleman asks me to play E-flat or B-flat, I ain’t got none.‘ I went to sleep and I dreamt the whole tuning–the whole tuning the guitar that totally eliminated scales and chords. I woke up, took my guitar, and tuned the notes to all of the notes that I had dreamed about and started playing it. And it worked!
„I went to show that to Coleman. I sat down and said, ‚Alright now, let’s play.‘
„He said, ‚Play E-flat.‘
„I said, ‚I ain’t got not E-flat.‘
„He sait, ‚Play B-flat.‘
„I ain’t got no B-flat! In fact, all my strings is tuned to one note. I have one note here with six strings tuned to the same sound.‘ And it got us music!“
Ulmer erläutert dann noch, wie seine Art von „harmolodics“ völlig anders funktioniere als die von Coleman, nur „melody“ hätten sie gemeinsam. Bei Coleman gehe es um Symmetrien, bei ihm, Ulmer, um Diatonik. Ulmers Musik funktioniert mit tonalen Zentren, er bewegt sich in der „key signature“, der Haupttonleiter eines Stückes, und konzipiert seine eigenen Tunes entsprechend: „I make sure to write all my stuff in a tone center, or inside of a tonal drone.“ (Alle Zitate stammen aus den Liner Notes von Michael Jarrett, der noch ohne Not die seltsame Aussage macht, Ornettes Harmolodics-Theorie sei „the basis for most ‚free jazz'“, was ich höchst irritierend finde.)
Die Zusammenarbeit mit dem Streichquartett funktioniert auch auf Albumlänge erstaunlich gut. Die Gitarre wabert, das Streichquartett singt mehrstimmig dazu – bis Ulmer in „Maya“ dann wirklich singt. Das Stück, das auch auf „After Dark“ zu finden ist, klingt hier wie ein Kinderlied, die Gitarre nach Americana, wahnsinnig warm und resonant, fast ein wenig nach Lagerfeuerromantik. Die Violine, die sich zur Gitarre gesellt ist wohl die von John Blake, der ja quasi als gefeaturter Gast angekündigt ist – und natürlich Erfahrungen als Improvisator hat? Jedenfalls ein echt spezielles Album voller schöner Texturen – und für mich gerade auch ein schöner Ruhepunkt zwischen dem harten Funk des MRE, mit dem es hier gleich weiter geht (zur Blues Experience komme ich dann auch, da habe ich bisher bloss ein Album). Auch wenn manches etwas brav, beschaulich geraten ist, sind die vor allem drei mehrteiligen Stücke („Arena“, „Page One“, „Black Sheep“) ziemlich toll. „Maya“ ist nach dem zweiten davon eingestreut und mit über zehn Minuten länger als die Suiten davor und danach. Als Closer gibt es dann noch eine ebenfalls recht lange Version von „Theme from Captain Black“, das dem Album noch ein paar Momente der Freiheit und Komplexität beschert, die davor eher fehlen.
(Der Post von vorgarten zum Album ist hier.)
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