Antwort auf: james 'blood' ulmer

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gypsy-tail-wind
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James Blood Ulmer/George Adams Phalanx – Got Something Good for You | Nächste Runde, nachdem ich „Children“ doch vollständig anhörte (die Trio-Tracks sind wirklich super, mit dem Arco-Bass in „All the Things You Are“ hab ich kein Problem), wieder mit George Adams, dazu Amin Ali und Calvin Weston, September 1985 im Volkspark-Studio in Hamburg. Den energiegeladenen Opener finde ich schon mal umwerfend, danach gibt sich Ulmer als funky Bluessänger über eine tighte, aber mir etwas zu abgekartete Begleitung. Adams setzt ein paar Akzente und Ali ist tatsächlich auch hier toll – wie auf dem ganzen Album (ich wusste übrigens bis heute nicht, dass er ein Sohn von Rashied Ali ist). Anderswo gibt es kleine Riffs, die kreisen, stampfende Grooves – irgendwie manches wirklich recht limitiert, aber trotzdem oft hypnotisch. „A Night Out“ ist eine Solo-Performance von Adams, in der sein Sax in einen Dialog mit einem in einer Art Sing-Sang vorgetragenen Text tritt. Das ist schon ziemlich toll, nicht nur vom Saxophonspiel her, sondern auch, wenn die Strategie gegen die „flying saucers“ lautet: „Keep on loving, baby“. Begeisterung will sich hier allerdings nicht einstellen. Ich glaub, das ist das erste Album, bei dem ich eher auf wen anderes achte oder warte als auf den Leader (George Adams, in den Ensembles aber auch öfter mal Ali).

David Murray – Recording NYC. 1986 | Ganz anders die nächste Runde, ein Sideman-Auftritt mit David Murray, aufgenommen am 10. Mai 1986 im Sound Ideas Studio in New York. Mit dem rockenden „Red Car“ von Butch Morris geht es los, Fred Hopkins (b) und Sunny Murray (d) treiben das gekonnt und eigenwillig an – und lassen es so klingen, als gäbe es eine Welt mehr an Platz hier als in der Phalanx (was ja irgendwie in deren Namen schon enthalten ist, da ist einfach kein Platz, das ist ja das Konzept, Platz zu lassen würde alles gefährden). Ulmer findet sich ein zwischen dem toll klingenden Sax von Murray, der in „Long Goodbye“ (wieder Morris) singt, und dem Bass von Hopkins, der auch dann offen und frei klingt, wenn er wie hier sehr viel spielt. Auch Sunny Murray blüht gerade in dieser Ballade auf, steuert ständig Fills bei, die aus allen Richtungen ausser der erwarteten zu kommen scheinen. Das geht so weiter, mal spielen Murray und Ulmer unisono, dann gehen alle vier ihrer eigenen Wege. Hopkins‘ Bass hält zwar alles zusammen, ist aber auch mit Abstand die berechenbarste Stimme hier – und vielleicht manchmal etwas langweilig. Ein Highlight ist sicher auch das von vorgarten angesprochene „Kareem“, in dem die Rhythmusgruppe mal mehr Raum kriegt. Auch in „According to Webster“ gibt es ein längeres Gitarrensolo, in dem das Trio zeigt, wie toll es funktioniert. Murray greift quasi ständig an, droht alles zu überrollen, während die anderen stoisch bleiben, Ulmer mehr an Texturen als an einer Geschichte interessiert ist, Hopkins zwischendurch aus dem starren Trott findet und anger mit anderen beiden zusammenfindet. Nach der wahnsinnig tollen Powerballade „Patricia“ – Murray ist wirklich unfassbar gut um den Dreh herum! – mit ganz schöner Gitarrenpassen, gibt es zum Abschluss das 14minütige, ziemlich freie „Light Years“, in dem Ulmer als erster ran darf, bevor Murray nochmal zu einem irren Höhenflug ansetzt. Hopkins verschmelzt hier super mit Sunny Murray, die beiden treiben das Stück gemeinsam mit irrem Drive voran – und beide kriegen sie dann auch mal ein Solo, zuerst Sunny Murray und dann Hopkins mit dem Bogen im Flageolett. Das Album ist alles andere als perfekt – aber toll!

Original Phalanx | Das zweite Phalanx-Album ist dann irre gut, läuft gerade in Schleife – neben Adams (ts, fl) und Ulmer (g) sind hier Sirone (b) und Rashied Ali (d) dabei. Vom ersten Moment an packt mich das direkt, hier passt wirklich alles: das kommt als ein Kollektiv daher, und passend hat Adams drei, haben Sirone und Ulmer je zwei Stücke beigetragen. Auch wo die Grooves supertight sind (das geht auch mit Kontrabass, wenngleich nicht so funky), die Beats trocken (verhältnismässig, für Alis Verhältnisse) wirkt hier alles offen, frei. Das macht wirklich unglaubliche Freude! Auch wenn das Bandmusik ist: die Beiträge von George Adams hier sind phantastisch, er findet sich in diesem freien Setting hervorragend zu recht und spielt umwerfend. Auch Sirone (den ich eh generell zu wenig im Blick habe) und Ali sind hervorragend, vom Leader ganz zu schweigen. Hier flimmert und vibriert alles … das perfekte Album für die 36 Grad oder was immer wir hier inzwischen haben (hinterm geschlossenen Fensterladen auf dem Sims waren’s über 40). Bis hierhin zweifellos mein Lieblingsalbum (gefolgt von „Revealing“, da bleib ich durchschaubar ;-) ).

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