Antwort auf: Enja Records

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Marty Ehrlich / Peter Erskine / Michael Formanek – Relativity | Noch ein Dreierpaket, dieses Mal von Marty Ehrlich, mit einem Album (diesem), das ich grad erst angeschafft habe und den zweien, die meine ersten von ihm als Leader waren. Mal ohne Strickland und ohne Klavier ein Album machen lag eigentlich recht nahe. Ob der Supertrommler Peter Erskine dafür die beste Wahl war, weiss ich nicht so recht – man kannte sich aus der Gruppe von Don Grolnick, mit der auch Formanek ein paar Gigs gespielt hat. Er spielt schon im Opener mehrere Beats übereinander, während Formanek am Bass ein schnelles Riff wiederholt. Das ergibt ein recht dichtes, stabiles aber keineswegs einfaches Fundament für den Leader, der ohne Strickland auch selbst mal zum Tenorsax greift. Zu hören ist er ausserdem am Altsax, der Klarinette und der Querflöte. Die Aufnahme entstand am 23. und 24. Februar 1998 in den Avatar Studios in New York (James Farber).

Das Resultat ist jedenfalls ein gleichberechtigtes, ziemlich frei agierendes Trio, das vier Stücke von Formanek, drei von Ehrlich, zwei von Erskine sowie „Taglioni“ von Grolnick spielt. Es gibt freie Passagen, aber auch Melodien, Hooks, es gibt Rhythmus- und Tempowechsel, aber auch mal endlos kreisende Grooves („Lucky Life“ von Ehrlich). Und es gibt sehr viel Musik (ca. 65 Minuten). Manches wirkt mir etwas zu kühl, zu kalkuliert, anderes zieht mich schnell in seinen Bann, etwa der einfache Groove von „Jiggle the Handle“ mit dem Leader am Tenorsax, an dem er vornehmlich Groove-Nummern zu spielen scheint.

Marty Ehrlich – Song | Am 18. Oktober 1999 nahm Ehrlich dann im Sound on Sound Studio in New York (wieder James Farber) auch mal noch ein klassisches Quartettalbum für Enja auf: Uri Caine (p), Michael Formanek (b) und Billy Drummond (d) begleiten den Leader (as, ss, bcl), auf dem Julius Hemphill gewidmeten „Blue Boye’s Blues“ stösst Ray Anderson (tb) als Gast dazu. Neben drei weiteren Ehrlich-Stücken gibt es den Opener „Waltz“ von Robin Holcomb, Bob Dylans „I Pity the Poor Immigrant“ und als Closer Jaki Byards „The Falling Rains of Life“. Was neu ist bei diesen beiden Alben („Relativity“ und „Song“) ist ihre Geschlossenheit: durch den Wegfall der ständig neuen Instrumentenkombinationen (bzw. den zweiten Bläser) und die durchkomponierten, kammermusikalischen Elemente, wirken die Alben mehr aus einem Guss – sind aber deswegen gar nicht unbedingt weniger abenteuerlich und vielschichtig. In „Song“ ist der Titel das Konzept, der Opener setzt den Ton und ist dabei enorm schön anzuhören mit der Bassklarinette und dem folgenden Bass-Solo. „The Price of the Ticket (after James Baldwin)“ ist das erste Original, Ehrlich stellt das Thema im Rubato am Alt vor, sekundiert von Formanek, während Caine ein paar Akkorde legt und Drummond eine balladeske freie Begleitung dazu trommelt. Dann leitet eine Solo-Kadenz vom Sax ins schnelle Tempo über, hinter dem die Rhythmusgruppe sich neu formiert. Eine Woche hatte die Gruppe im Sweet Basil das Material gespielt, bevor es damit ins Studio ging – und so klingt das hier auch wie eine eingespielte Combo. Von Uri Caine bin ich ja sonst nicht so ein Fan, aber hier finde ich ihn sehr gut – zurückhaltend, aber immer wieder mit tollen Farbakzenten. „Blue Boye’s Blues“ steht in der Mitte der sieben Stücke und beginnt sehr frei, ohne festen Beat und mit den beiden Bläsern im Dialog (Anderson und Ehrlich begegneten sich in den Siebzigern bei Braxton erstmals), die mittendrin auch zu zweit zu hören sind, wonach sich für die letzten Minuten dann noch ein Groove ergibt. In „I Pity the Poor Immigrant“ singt Ehrlich am Altsax mit wunderschönem Ton über den Bass von Formanek – und nach dem Opener muss ich hier zum zweiten Mal an das Dylan-Projekt Jewels & Binoculars (mit Michael Moore) denken. Das ist betörend schön – und ein feines Klaviersolo gibt es gegen Ende auch noch. Der Bogen schliesst sich mit Byard und der Bassklarinette. Ein rundum stimmiges, vielleicht etwas verhaltenes Album.

Marty Ehrlich – The Long View | Ehrlichs letztes Album für Enja ist dann mit einer grossen Besetzung entstanden und enthält erstmals gar keine Fremdkompositionen: „The Long View“ heisst die Suite in sechs Sätzen und einem „Postlude“, die hier zu hören ist. Den leader hören wir an Alt-, Tenor- und Sopransax, Flöge und Bassklarinette, dazu kommen in jedem Satz andere weitere Musiker: mal eine grosse Bläsersection (u.a. mit Eddie Allen, James Zollar, John Clark, Marcus Rojas, J. D. Parran, Ned Rothenberg), mal Mark Feldamn (v) und Erik Friedlander (vc). Wayne Horvitz spielt auf ein paar Stücken Klavier, im Duo mit Ehrlich (Postlude) und im Quartett mit Mark Dresser (b) und Bobby Previte im 4. Satz, einmal auch mit den zwei Streichern und Ray Anderson, da sind dann aber Mark Helias (b) und Pheeroan akLaff (d) dabei. Michael Sarin (d) und Eddie Bobé (perc) gehören anderswo auch zu den Rhyhmusgruppen … das ist ein überaus ambitioniertes Ding, in dem der Leader die meisten Soli spielt (im 6. Satz kriegt Robert DeBellis eins am Sopransax, im 1. bzw. 6. Satz sind zudem Eddie Allen bzw. James Zollar an der Trompete zu hören). Anregen liess Ehrlich sich von den Gemälden von Oliver Jackson, die auf einigen seiner Enja-Alben auf dem Cover zu finden sind. Im Frühling 2000 waren die beiden gleichzeitig für 10 Wochen bei einer residency in Harvard und dabei entstanden sechs Gemälde sowie die sechs Sätze von „The Long View“ – Musik, die schon lange in Planung war und auch davon profitierte, dass Ehrlich Jackson beim Malen beobachten konnte. Das Ergebnis spricht mich etwas weniger an als die zwei recht schnörkellosen obigen Alben – aber es gibt auch hier zahlreiche schöne Momente … und natürlich ist das alles gut gespielt, was bei den Leuten ja kein Wunder ist. Ray Anderson hat im 5. Satz einen grossen Auftritt – und Mark Helias glänzt nicht nur hier am Bass (im ersten und 6. Satz wirkt er als Dirigent, dort und im 4. Satz übernimmt Mark Dresser am Bass).

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