Antwort auf: Enja Records

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Aki Takase – Clapping Music | 1993 war Takase längst in Berlin und vermutlich auch ziemlich etabliert. So ein Trio, mit Reggie Workman und Sunny Murray, scheint dennoch ein grösseres Ereignis gewesen zu sein, wie den Liner Notes zu entnehmen ist. Das Album von Barbara Rüger und Horst Weber produziert, Enja Weber gemeinsam mit dem DeutschlandRadio Berlin. Es präsentiert Aufnahmen aus dem A-Trane vom 5. und 6. Juni 1993. der Opener, Takases Titelstück, ist ein ziemlich toller Romp, warm, jubilierend, groovend, auch wenn Murray mit seinem unkonventionellen Spiel alles gegen den Strich bürstet. Das tut er auch im folgenden „Shima Shoka“ wieder (Titelstück eines früheren Takase-Albums), wo es dauert, bis die Pianistin mitten aus den Zerklüftungen einen Groove zieht, minimal, karg, ähnlich kantig wie die Drums. In Schlippenbachs „Points“ werden keine Grooves angesteuert, die Musik atmet frei, Workman spielt stellenweise arco – bisher setzt er allgemein wenig Akzente, verschwindet etwas zwischen den Drums und dem Klavier. Nahtlos geht es mit „Do You Know What It Means to Miss New Orleans“ weiter plötzlich etabliert sich ein konventioneller Beat, Workman legt den Teppich aus, Murray fällt in einen seltsamen aber funktionierenden Swing, während Takase sich in Richtung Stride aufmacht. Zwei Mingus-Kompositionen folgen, zuerst ein zerklüfteter „Boogie Stop Shuffle“, in dem irre Fliehkräfte am Werk sind und die drei dennoch als Trio zusammenfinden – und irgendwie dann in „Pussycat Dues“ rüberfinden, wieder im langsamen Tempo und mit stetigem Beat. Dieses mittlere Drittel („Miss“ bis „Dues“) ist schon sehr faszinierend – auch sehr viel dunkler als das erste Drittel, und Workman ist hier auch voll dabei. Das letzte Drittel öffnet mit „Ants“ von Takashi Kako, dann folgen zwei Monk-Stücke, „Reflections“ und „Oska-T“ – der Weg führt von wilden Clustern über eine zunächst als Piano-Solo gespielte freie Ballade (die noch kurz „Blue Monk“ streift, wenn die Drums einsteigen) in den kantigen Ruckel-Groove des Closers, wieder mit dem ganzen Trio, vor allem aber mit einem ziemlich irren Klaviersolo. Ein ziemlich starkes und sehr vielschichtiges Set.

Wayne Krantz – 2 Drink Minimum | Das Album erwähnte ich gestern schon, es ist Krantz‘ drittes für Enja, erschien in den USA zeitgleich (1995) auch im Selbstverlag. Live in der 55 Bar in New York (die vermutlich mit „2 Drink Minimum“-Policy unterwegs war) spielt das Trio mit Lincoln Goines (elb) und Zach Danziger (d) acht Stücke von Krantz, zwischen etwas über eineinhalb und neun Minuten lang und auch ordentlich betitelt. Aufgenommen wurde das Album „with a pair of stereo mini-mics direct to DAT“ von Marc Bobrowsky zwischen Februar und April 1995 und es ist „dedicated to the audience“. Die Aufmachung ist minimal, erinnert ein wenig an Greg Osbys späteres Faux-Bootleg auf Blue Note. Das ist für meine Ohren ein Album wie aus einem Guss, das Trio super eng verwoben, gemeinsam in Grooves versinkend. Hi-Fi ist das nicht, aber ich mag den dreckigen, unmittelbaren Sound, in dem die obere Lage des Basses manchmal verschluckt wird und die Drums etwas dumpf klingen. Ein Dokument, bei dem man tatsächlich denkt, im vermutlich ziemlich kleinen Club dabei zu sein. Und da ich das Album in Neunzigern mal kannte eine echt schöne Wiederentdeckung.

Odean Pope Trio – Ninety-Six | Das Trio von Trios endet mit Odean Pope (ts), Tyrone Brown (b) und Mickey Roker (d), aufgenommen am 2. und 3. Oktober 1995 in den Morningstar Studios, Spring House, PA. Als Produzent agiert Werner Aldinger für Weber. Es gibt elf meist kürzere Stücke, der Opener „Gone Now“ stammt von Brown, dem Balladenhighlight „For All We Know“ wird eine „Overture“ von Irving Berlin/Pope vorangestellt, später hören wir noch „Coltrane Time“ von John Coltrane (im Duo mit Roker), dazu kommen sieben Pope-Tunes. Der Opener im 5/4-Takt setzt gleich den Ton: ein beckenlastiger Beat von Roker, eine repetitive Kippfigur vom Bass und darüber das Saxophon von Pope, schnörkellos, sonor, voluminös. Das ganze ist total trocken, gefällt mir sehr gut – entwickelt aber auf Dauer schon eine gewisse Eintönigkeit (vielleicht dem Krantz-Album darin nicht unähnlich). In den besten Momenten entstehen schroffe, offene Landschaften. Und manchmal ein hypnotischer Groove, etwa in „WL“, dem längsten Stück, das mich auch ganz kurz mal an „Africa – Tears and Laughter“ erinnert.

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