Antwort auf: Enja Records

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Tony Reedus – Incognito | Die Alben werden länger, manchmal etwas langfädig, aber insgesamt ist auch dieser Durchgang wieder sehr anregend! Das one-off von Drummer Tony Reedus auf Enja hat @vorgarten schon vorgestellt (klick), es wurde im Dezember 1989 in den New Yorker A & R Studios eingespielt (Jim Anderson, produziert vom Leader und seinem nur acht Jahre älteren Onkel, dem Pianisten James Williams). Die Besetzung finde ich ebenfalls sehr attraktiv, ein Quartett mit Tenorsax/Flöte und Vibraphon, das zur Hälfte aus einer künftigen Dave Holland-Band besteht: dieser ist am Bass dabei, Steve Nelson am Vibraphon. Sax und Flöte kommen von Gary Thomas, der in so einem Rahmen, wenn er nicht eigene Konzepte umsetzt, einfach mit seinem irre starken Spiel überzeugt – und das gleich im Opener („House Call“ vom Pianisten Geoff Keezer) am Tenorsax. Holland erweist sich auch hier als kompletter Bassist, in Solo und Begleitung hellwach und mit hervorragendem Instinkt, einer Menge toller Ideen. Auch Reedus ist ein Gestalter mehr denn ein Begleiter, und so ist hier eine sehr aktive Rhythmusgruppe zu hören, die auf ein elegantes Vibraphon, kristalline Flötenklänge und rauhe Tenorsaxsounds trifft. Es gibt acht mittellange bis lange Stücke, das Titelstück stammt vom mir unbekannten Pianisten Johnny King, der später auch zwei Enja-Alben einspielen sollte es gibt einmal Monk („Green Chimneys“), zwei alte Standards („For Heaven’s Sake“, das mit einer langen fl/b-Duopassage beginnt, und als Closer im ts/d-Duo „Bye Bye Blackbird“), dann je einmal Reedus („Dreams“), Holland („Lazy Snake“) und Williams („Probin'“, hier ist Thomas am Tenor phantastisch). Alles in allem sieht das auf dem Papier wie ein recht typisches 90er-Mainstream-Album aus (es erschien 1991), aber ist eben doch in vielerlei Hinsicht anders. Die Gruppe – obwohl es sie so zuvor nie gab – wirkt eingespielt, locker und doch hart swingend, die Arrangements sind hervorragend gemacht, das alles hat einen dunkel schimmernden Glanz, und die leichten Touches in Richtung Free/Avantgarde geben dem ganzen immer wieder eine überraschende Note. Gewidmet hat Reedus das Album dem Andenken an Phineas Newborn Jr. und Woody Shaw.

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