Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › David Murray › Antwort auf: David Murray
Aki Takase & David Murray – Blue Monk (1993)
Dieses Album hatte ich im Enja-Thread schon mal kurz erwähnt. Habe es inzwischen käuflich erworben und kann damit auch was zum David Murray-Thread beitragen. Es schließt für mich auch schön an das Duo Album von Aki Takase und Günther Klatt an, das hier schon Thema war.
Same, same, but different, würde ich sagen, denn einerseits ist dies auch ein Duo-Album mit Aki Takase am Piano plus Saxophon und wenn man will, ist es auch ein Tribut, in diesem Fall an Thelonious Monk – wenngleich nur 4 der 10 Tracks Monk-Kompositionen sind. Dazu kommen einige Originale und Standards, die nicht direkt was mit Monk zu tun haben. Andererseits unterscheidet sich dieses Album aber stark vom Takase / Klatt-Duo. Während Takase und Klatt die zugrunde liegenden Ellington-Stücke auf links drehen, teils bis über die Grenzen der Wiedererkennbarkeit dehnen und strecken und auch mal völlig aus der Spur laufen, orientieren sich Takase und Murray enger an den Originalen. Gleichzeitig sind das aber auch sehr prägnante und originelle Interpretationen. Allein schon die Besetzung Piano und Bass-Klarinette beim Titelstück Blue Monk ist eine ganz eigene Konstellation mit entsprechendem Klangbild. Takase scheint das Thema eigentlich ganz konventionell zu spielen, Murray setzt aber im „staccato“, fast perkussive Akzente darauf und dagegen, die sich gleichzeitig immer auf das Piano beziehen und doch für sich selbst stehen. Gegensätze, deren Verhältnis zueinander ständig neu verhandelt wird und in Bewegung bleibt – das erzeugt Spannung.
Das nimmt im Verlauf des Albums immer wieder andere Formen an, auch weil die zugrundeliegenden Kompositionen sehr unterschiedlich sind. Presto V.H. (Wofür steht das?) ist ein dichter und wilder gemeinsamer perkussiver Ritt, der Standard Body & Soul fängt ganz zerbrechlich und berührend an, im Verlauf von 7 Minuten wallen die Emotionen aber richtig auf, Ellingtonia klingt fast wie eine Parodie auf den Jungle Style, Takase nutzt den Ba-Lue Bolivar Ba-Lues für ein ausgedehntes Solo, Mr. Jelly Roll wirkt mit dem offenbar präparierten Klavier wie aus einer anderen Zeit und Murrays abschließende Ballad For The Blackman klingt über gut 11 Minuten teils wie frei improvisiert.
Mindestens bei den Monk-Kompositionen, dem Standard und den Ellington und Jelly Roll-Tributen (bzw. Mingus, denn vom dem stammt ja diese Komposition!) gibt es nicht nur 2, sondern 3 Pole, nämlich erstens Takase, zweitens Murray und drittens natürlich Monk, Ellington und die anderen Referenzen, die sich umeinander bewegen, einander anziehen oder auseinander streben. Das bleibt über die gesamte Laufzeit spannend.
Ganz tolles Album! Hätte ein besseres, anderes Cover und ein anderen Titel verdient, denn beides greift eigentlich zu kurz. Body & Soul hätte gepasst, aber vielleicht ist das schon zu abgenutzt.
Dass Aki Takase eine sehr lebhafte und erfindungsreiche Pianistin ist und David Murray ein ebensolcher Saxophonist und Bass-Klarinettist mit vollem und reichem Klang, vergaß ich zu erwähnen.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)