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Vergleichende Jazzwissenschaft.
Ich hatte vor einiger Zeit die Erstaufnahme von Duke Ellingtons Caravan von Barney Bigard And His Jazzopators von 1936 auf einer alten 10“-Platte entdeckt. Außerdem ist diese Aufnahme auf der großartigen 3 CD-Box von Duke Ellington auf Columbia 1927-62 enthalten. Bislang völlig überhört hatte ich aber unerklärlicher Weise das Stück Carney And Begard Place (sic!) von Rahsaan Roland Kirk auf der Does Your House Have Lions?-Compilation. Ursprünglich stammt es von dem Album RRK & Al Hibbler – A Meeting Of Times von 1972. Al Hibbler hatte in den 40ern und 50ern in Ellingtons Band gesungen. Ich kenne nur wenig von ihm und auch das genannte Album habe ich nur mal geströmt. Ich höre Hibbler mit seiner markant erdigen Stimme aber eigentlich recht gern. @gypsy-tail-wind hält meines Wissens viel von A Meeting Of Times.
Neben den Gesangsaufnahmen gibt es da aber auch zwei Instrumentals, darunter Carney And Begard Place. Da imitiert RRK den jungle style des Ellington Orchestras der 20er und 30er Jahre, transportiert ihn aber auch gleichzeitig ein paar Jahrzehnte weiter. Immerhin liegen mehr als 30 Jahre und auch John Coltrane dazwischen! Fängt an mit Buschgetrommel und Baritonsaxophon, gefolgt von einer längeren Passage mit relativ straighter rhythm group aber einem total verschmierten freien Solo auf Bari-Sax und was-weiß-ich-was-sonst-noch von RRK. Manchmal gelingt es RRK sogar, einen ganzen Bläsersatz – mindestens Sax + Klaritnette – gleichzeitig zu spielen. Ein heißer Ritt! Was aber selbst RRK nicht kann, ist parallel verschiedene Stimmen oder Riffs und darüber noch Soli zu spielen, wie es Bigard, Carney und Cootie Williams an der Trompete und die übrige Band auf Caravan tun. Aber der Bezug der RRK-Aufnahme auf den jungle style, Bigard und Carney ist hier offensichtlich.
Alles beides großartige Aufnahmen – wobei natürlich RRKs Aufnahme nicht ohne Ellingtons jungle style denkbar ist. Einerseits eine schöne Würdigung Bigards, Carneys und Ellingtons von RRK. Man kann das alte Stück dadurch noch mal aus anderer Perspektive und neu hören. Andererseits kann man RRKs Stück erst so richtig schätzen – nein: man erkennt es überhaupt erst! – wenn man den Bezugspunkt kennt und versteht, was RRK 36 Jahre später macht. Daher besteht auch ein besonderer Reiz in der Spannung zwischen diesen beiden Polen.
zuletzt geändert von friedrich--
„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)