Antwort auf: Umfrage: Die 20 besten Tracks von Tocotronic

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jackofh

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Mit Ausnahme von drei Tracks beginnt Tocotronic bei @go1 erst in den 2000er Jahren. Ein klarer Fokus liegt auf der Phase vom weißen Album (drei nominierte Tracks) über „Pure Vernunft“ (fünf Tracks) bis zum beliebtesten Album „Kapitulation“ mit sechs gelisteten Tracks. Einer daraus, das episch-eingängige „Verschwör dich gegen dich“ mit seinen himmelstürmenden Gitarrenläufen schafft es bis auf Podestplatz 2 – die höchste Platzierung in dieser Umfrage! „Kapitulation“ wird von Dirk oft als „schönstes Wort in deutscher Sprache“ bei Konzerten angekündigt. Die Formulierung stammt aus dem Spoken Word „Kapitulation Manifest“, der B-Seite der „Sag alles ab“-Single, deren Text exakt 45 Zeilen enthält und damit auf das Jahr der Kapitulation Nazi-Deutschlands anspielt.

Ein inoffizieller Remix des Manifests (ein Mashup mit einem Pantha-du-Prince-Track) wurde 2007 zum „Track des Jahres“ in der Spex gewählt:

Im eigentlichen Titeltrack des Albums, den Go1 auf Platz 7 führt, akzentuiert von Lowtzow seine Kopfstimme wie nie zuvor, Postpunk und dunkle Romantik finden hier zusammen. Für die Band ist „Kapitulation“ jedoch ein Soul- bzw. Gospelsong, daher haben sie beim Konzert zum 25-jährigen Bandbestehen im Berliner Zeiss-Planetarium 2018 Joy Denalane mit auf die Bühne geholt. (Das grässliche Heino-Cover verlinke ich hier jetzt mal nicht!)

Tocotronic: Kapitulation war immer als eine Art „invertierter“ Gospelsong gedacht. Statt der Gemeinde Mut und Unverzagtheit zuzusprechen, wurde hier das Scheitern gepriesen und die Selbstaufgabe gepredigt. Man könnte uns das als Zynismus auslegen, wenn man nicht wüsste, dass das Lied eine Protesthaltung gegen dasjenige Lebensgefühl der Nuller Jahre zum Ausdruck brachte, das man grob mit „progressiv, dynamisch, mit Fantasie – aber sachlich“ (F.J. Degenhardt) beschreiben könnte.

Auch „Die Unendlichkeit“ steht bei Go1 hoch im Kurs. Eine Erstnennung gibt es für „Unwiederbringlich“ auf Platz 5, einer von drei Tocotronic-Songs, in denen Dirk von Lowtzow den Tod seines Offenbacher Jugendfreundes Alexander Herbrand verarbeitet, der auch erster Tourmanager der Band war. Der erste, „Gottseidank haben wir beide uns gehabt“, enthält schon im Titel die essenzielle Botschaft und Bedeutung der Freundschaft für Dirk. Der zweite, „17“ von K.O.O.K., ist „eine Geistergeschichte über die Wiederbegegnung mit meinem toten Freund“ (von Lowtzow). Ganz wunderbar – wie auf dem Album insgesamt – unterstützen hier die Bläser- und Streicher-Arrangements von Micha Acher von The Notwist die sentimentale Stimmung des Songs (dokumentiert im „Making of K.O.O.K.“ ab ca. Minute 9). „Unwiederbringlich“ schließlich ist der letzte Song in dieser Reihe, der die Bahnfahrt von Lowtzows beschreibt, der seinen Freund ein letztes Mal auf dem Sterbebett besuchen will, jedoch zu spät kommt: „Es gab noch keine Handys / Nur an Bord ein Telefon / Als ich endlich ankam / Wussten’s alle schon.“ Das an Carl Orff angelehnte Arrangement stammt von Wanda-Produzent Paul Gallister.

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