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ich binde noch schnell die 70er zusammen.
the london concert (1978)
das ist wohl die bisher größte überraschung unter meinen leerstellen – ein fantastischer abend, von cadillac mitgeschnitten, ein teil direkt danach auf vinyl, auf doppel-cd dann ende der 90er komplett veröffentlicht. murray plötzlich im quintett mit klavier (curtis clark) und neuer rhythm section (brian smith, clifford jarvis), nur das zusammenspiel mit butch morris ist vertraut. die musik klingt total frisch, total inspiriert, man hört tatsächlich eine band, wenn auch mit lauter individualisten, aber es groovt und blitzt und donnert wie verrückt. clark agiert eigenartig, versponnen, manchmal richtung spiritual jazz, aber immer eigenwillig – und allein seine existenz zurrt murray auf harmonien fest. der bewegt sich von galaxie zu galaxie, manchmal folgt ihm jemand, manchmal auch nicht, dann kommt er zurück, tankt kurz auf und startet die nächste exkursion, aber auch in der emanzipation hört er noch genau hin, was er da zurücklässt. eines der besten murray-alben, die ich jemals gehört habe. allerdings auch ein brocken von knapp 146 minuten musik – und das ohne schwachstelle.
3D family (1978)
weniger als einen monat später in willisau aufgenommen, jetzt wieder im trio (dyani, cyrille). im titelstück schon alles, was geht. danach ein klangforschender mäander dreier querköpfe. alle gehen eigene wege, geben sich raum, verlieren sich auch, das ist eine andere live-situation, kein bandgefüge, eher ein riskantes spiel, das ausprobiert, ob es passt. heißt: dyani-, cyrille-, murray-fans kommen auf jeden fall auf ihre kosten, aber wenn der saxofonist sich den raum nimmt, wird das powerplay für mich auch etwas ermüdend. hatte ich insgesamt konziser in erinnerung.
jack dejohnette, special edition (1979)
tatsächlich höre ich murray hier etwas anders als sonst, bzw. ich höre, was er mitbringt. sehr toll ist das beseelte, aber auch präzise bassklarinettenspiel, ansonsten agierte er hier nicht glatter oder weniger krawallig als in seinen eigenen projekten. blythe eigentlich auch nicht. es sind die suitenformen und arrangements, die das alles etwas runder, oder, naja, eleganter machen.
sunny murray trio, live at moers festival (1979)
3 monate später, im juni (vor 45 jahren!), ein anderes trio – und das material ist diesmal auch nicht von ihm, sondern vom leader. malachi favors und sunny murray sind eine noch querköpfigere besetzung als dyani/cyrille, sollte man meinen, tatsächlich agieren sie aber vorsichtiger, vielleicht, weil sie sich weniger vertrauen. cheik tidiane fall ist noch dabei, eine conga macht die dinge auch manchmal klarer, aber es gibt auf der anderen seite auch lange klangforschungsexkursionen vor verzaubertem publikum. ich habe das nur in einem schlechten stream hören können, wie toll die klingen, müsste man später nochmal überprüfen.
sweet lovely (1979)
schön, wieder fred hopkins zu hören. aber eigentlich ist das ja hier 2/3 von air. und das kraftmeierische insideo/outside-spiel von murray wird ohne druck virtuos swingend unterlegt. klingt ein bisschen frischer, aus anderem geist als die loftigen happenings mit den trios davor.
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beeindruckende erste 5 jahre. die explosionen, der gospel-balladen-ton (ich finde ja immer weniger, dass der was mit webster oder hawkins zu tun hat, mit gonsalves auch noch nicht), die kantig-schönen themen, das rein- und rauswuseln aus dem bandgeflecht – und immer die intensität, entschiedenheit, hier weiß jemand, warum er tenorsaxofon spielt und keine versicherungen verkauft. der surrealismus fehlt noch, dazu braucht es dave burrell.
das bimhuis-konzert mit don pullen konnte ich immer noch nicht auffrischen, aber ich habe es noch halbwegs in erinnerung – es ist wirklich ein baustein, der fehlt. aber auch unter den vorher nicht bekannten sachen war sehr viel für mich dabei.
studio rivbea, 1976 (foto: tom marcello, von hier.)
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