Antwort auf: David Murray

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vorgarten

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live at the lower manhattan ocean club (1977)

ich warte noch auf den auftritt von low class conspiracy in amsterdam, ignoriere den ersten dokumentierten auftritt des world saxophone quartet in moers und erwarte nicht viel von dem duo-album mit james newton, aber das jahr 1977 hatte auch diese schmerzende lücke zu bieten, die ich danke eines discogs-beifangs (zu einer enja-bestellung) jetzt endlich gefüllt habe. bob cummins schneidet murray mit den weggefährten hopkins und wilson mit, die pointe der band ist der trompeter, lester bowie. ein windiger deutscher produzent hat das vor nicht allzu langer zeit auf jazzwerkstatt neu herausgebracht und klugerweise noch amiri baraka die liner notes schreiben lassen. der war damals beim konzert dabei und kann den leichten enthusiasmus vermitteln, den damals alle hatten, die eine weiterentwicklung des freejazz 10 jahre post-coltrane hören wollten und hiermit ganz glücklich waren.

das ist ein wirklich abwechslungsreicher auftritt, der populäre formeln aufruft und instabil werden lässt, ohne sich postmodern dabei auf distanz zu begeben. selbst eine bechet-hommage, zu der murray ein zittriges sopransax auspackt, ist weniger satirisch gemeint als leute wie robert christgau denken, glaube ich. das spielt sehr fröhlich mit dem publikum, sucht nicht nur die intensität, sondern auch den mitriss, den witz, den flirt. es hat etwas straßenstaub und, wenn bowie seine langbögigen dramaturgien baut, auch das große drama, bei dem man, wie fernsehredakteur*innen heute gerne sagen, „mitgenommen“ wird. murray kriegt die langen bögen zwar nicht nicht hin, aber er hat ja mitspieler, die verschiedene spannungen ausprobieren können. wahnsinnig schöne themen und zweistimmigkeiten finden murray und bowie da, das hört sich immer noch sehr frisch an. den ocean club gab es nur kurz. aber die brise weht noch.

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