Antwort auf: Enja Records

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Mir sind auch keine älteren Vorbilder für die Kombination Piano und Sax bekannt. Dabei liegt das doch eigentlich auf der Hand. Piano und Gesangsstimme geht ja auch und dann ist Piano und Sax nicht weit. Pianist Ellington + Saxofonist (Hodges, Webster …) wäre nur konsequent gewesen.

Ich habe das Günther Klatt + Aki Takase Play Ellington-Album oben ziemlich wortreich und vielleicht auch etwas umständlich beschrieben. Um es kurz und knapp zu machen fehlte mir die Zeit. ;-)

Eigentlich ist es ja so: Klatt und Takase umkreisen das Gravitationszentrum Ellington und Strayhorn auf einer stark elliptischen und exzentrischen Umlaufbahn. Dabei kreisen sie beide auch gleichzeitig um einen unsichtbaren gemeinsamen Schwerpunkt. Ihre Bahn kreuzt die Bahnen von Ben Webster und Paul Gonzalves, die ebenfalls um Ellington + Strayhorn rotieren. Archie Shepp schwirrt auch mal vorbei. Der besondere Reiz dieser Aufnahme beruht auf zwei sich überlagernden Phänomenen: Zum einen besteht ein sich ständig änderndes Spannungsverhältnis zwischen Klatt + Takase einerseits und dem Zentralgestirn Ellington + Strayhorn andererseits, zum anderen gibt es auch ein Spannungsverhältnis zwischen Klatt und Takase selbst. Beides offenbar individualistische und etwas exzentrische Gestalten, die ihr Verhältnis zueinander ständig neu verhandeln. Wie weit will, kann und muss man sich vom Gravitationszentrum oder dem gegenüberliegenden Pol entfernen, wie weit will, kann und muss man sich annähern, ohne dass man entweder einsam in den unendlichen Weiten des Raumes verschwindet oder umgekehrt das Gefüge in einem dummen Klumpen in sich zusammenstürzt? Und natürlich haben die Anziehungskräfte der Planeten Webster, Gonzalves und Shepp auch noch Auswirkungen. Wenn man wollte, könnte man auch noch mal darüber nachdenken, ob die Konstellation Mann ↔ Frau in dieser Versuchsanordnung eine Rolle spielt.

In das Archie Shepp / Jason Moran Duo-Album habe ich mal reingehört. Im Vergleich dazu gehen Klatt / Takase aber noch ein ganzes Stück weiter, weil sie die Grenzen der beiden Formate Duo und Tributalbum so weit wie möglich verschieben. Finde ich.

Ich kenne sonst gar nichts von Günther Klatt und fast nicht von Aki Takase. Kann daher nicht beurteilen, wo dieses Album in deren Oeuvre zu verorten ist. Ich weiß auch nicht, wo das Album im ENJA-Katalog zu verorten ist. Bei mir haben Klatt und Takase jedenfalls in Ohr, Geist und Seele was ausgelöst.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)