Antwort auf: Enja Records

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Kenny Werner – Beyond the Forest of Mirkwood | Was man aufs Alter hin nicht alles noch lernen kann – z.B., dass das keine Anspielung auf Dylan Thomas (und Stan Tracey) ist, sondern irgendwas mit Hobbits zu tun hat („The Hobbit“ heisst immerhin der Closer). Kenny Werner nahm am 3. Februar 1980 im Penthouse Studio in New York (David Baker) sein Solo-Album für Enja auf. Sieben Eigenkompositionen, die eine Art Reisebericht ergeben, einen ziemlich bewegten und sehr stimmungsvollen Hörfilm. Filmisch fühlt sich schon das Durchschreiten verschiedener Gefühlswelten im langen öffnenden Titelstück an, dann geht es mit der „Perilous Journey“ weiter. Die zweite Seite verläuft ähnlich: ein langes Stück, dann ein paar kürzere. Wieder unterschiedlichste Stimmungen, von impressionistisch bis zu rollenden Grooves, von dunkel und nachdenklich bis zu einer strahlenden Wärme, die ein paar Male ein wenig an Abdullah Ibrahim erinnert. Dass Werner als Kind (er trat mit 11 erstmals im Fernsehen auf) klassisch ausgebildet wurde, ist hier wohl ebenfalls zu hören. Als er 1970 ans Berklee College in Boston ging, wurde Madame Chaloff seine erste wichtige Lehrerin (auf seiner Website ist zu lesen: „Her gracious wisdom and inspiration became a driving force in Kenny’s conception: A music conscious of its spiritual intent and essence.“). Später tourte er mit Victor Assis Brasil (der auch am Berklee College war) und lernte viel von dessen Zwillingsbruder, dem Pianisten João Assis Brasil. Das Enja-Album ist sein zweites als Leader – und auch das zweite Werner-Album im Regal hier (neben dem mal zufällig gefundenen Blue Note-Album „Lawn Chair Society“ von 2007).

Auf der Rückseite findet sich ein Portrait, das Deborah Feingold vom sinnierenden Künstler gemacht hat – und die Widmung der Platte an seine Eltern:

EDIT: ich hatte den Post von @vorgarten gar nicht mehr präsent:

zum teil finde ich das wirklich super und eigen, ganz weit weg vom jazz eigentlich, aber dann beisst ihn der virtuositätswurm und er abstrahiert ragtime und rast mit volldampf durch die von der anlage her brave tempo-30-zone. frühwerk halt. und so ein richtiges gefühl habe ich nie für werner bekommen. aber von diesem album komme ich nicht recht los.

Das kann ich alles unterschreiben … der Ragtime ist kein reiner Zufall, denn das Debutalbum von Werner (damals noch Ken) war „The Piano Music Of Bix Beiderbecke, Duke Ellington, George Gershwin, James P. Johnson“ (Finnadar, 1978). Ich höre das jetzt auch schon zum dritten Mal seit gestern … und loskommen davon ist gerade wirklich nicht leicht!

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