Antwort auf: Enja Records

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Bob Degen – Children of the Night | Das wollte gestern nicht mehr klappen – zuviel Neues aufs Mal … aber heute fesselt mich das sofort! Nach „Chartreuse“ im Duo mit Harvie Swartz ist „Children of the Night“ Degens drittes Enja-Album (das vierte, wenn „Makaya & The Tsotsis“ auch gezählt wird). Und es ist das zweite Album, das Terumasa Hino in recht kurzer Zeit mit einem Trompetenquartett als Sideman für Enja machte (Nr. 1 war „Now Hear This“ mit Hal Galper). Genau genommen spielt er hier gemäss dem Cover Kornett. Neben Degen am Klavier sind auch Cameron Brown (b) und Motohiko Hino (d) dabei. Zu hören sind je zwei Originals von Degen und Hino sowie Ornette Colemans „Without Name, Without Number“ (von dem ich keine Ahnung habe, woher es kommt).

Degen klingt hier viel weniger impressionistisch als auf „Sequoia Song“, sein Ansatz wirkt härter, sein Spiel überhaupt druckvoller – das passt aber gut zum Rahmen. Es geht stark los mit Hinos „Blues for Hall“, der Komponist spielt ein überzeugendes ersten Solo, gefolgt von Degen und Brown. Wenn ich das blind hören würde, käme ich kaum auf die Idee, dass das derselbe Pianist wie auf „Sequoia Song“ ist – aber ich finde ihn auch hier sehr gut, knackig, frisch, das klingt alles ziemlich offen, gefällt mir von der Richtung her sehr viel besser als „Now Hear This“. Die überaus interessante Rhythmusgruppe funktioniert prächtig, Motohiko Hino ist ja anderswo auch mit Reggie Workman, Richard Davis oder Cecil McBee zu hören, hier kommt noch Cameron Brown dazu. Degens „Neged“ ist dann eine offene Ballade, Klavier-Intro, das schmallippige Kornett mit schönem Ton dazu, Rubato, in der Mitte eine Piano-Passage, dann wieder im Duo mit dem Kornett, dahinter ein paar wabernde Beckenschläge vom Bruder an den Drums – schön! „Sun Dive“, mit dem die erste Hälfte endet, ist Hinos zweiter Beitrag. Er klingt manchmal nicht so weit vom Miles Davis des second quintet entfernt. Die zweite Hälfte öffnet mit dem erwähnten Stück von Ornette Coleman, in dessen harmonisch-melodische Welt Degen sich ganz gut einzufinden scheint, im Thema sekundiert von Browns Bass. Hinos scheppernde Beats passen auch dazu hervorragend – während der grosse Bruder hier pausiert. Der spielt im langen Closer, dem Titelstück des Albums, dann das Thema. Eine Art Mal-Waldron-Groove von Bass und Drums, ein leicht verschleppt getrommelter Beat dazu, darüber das Kornett, hoch, glänzend, strahlend – hier denke ich eher an Woody Shaw als an Miles Davis, doch Hino geht seinen eigenen Weg, setzt Akzente, holt Atem, lässt sich sehr viel Zeit, streut Growls ein, während sich das Trio hinter ihm immer dichter verzahnt. Das Album lief jetzt seit gestern schon vier Mal und es gefällt mir sehr gut. (Es ist damit nicht der „instant classic“, der „Sequoia Song“ ist – dort gab’s nur einen Durchgang, bei dem ich den Atem anhielt … und das nächste Hören wird beim passenden besonderen Moment stattfinden.)

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