Antwort auf: Enja Records

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New York Jazz Quartet – Surge | Drei Alben gibt es von dieser Combo auf Enja – jedes Mal ist ein anderer Drummer dabei. Das Cover sieht je nach Ausgabe eher grünlich oder blau in unterschiedlichen Farbtönen und Sättigungen aus (die US-Ausgabe auf Inner City ist heller, das rechts ist das Cover der CD-Ausgabe, die ich auftreiben konnte, Enja Weber, 1992). Frank Wess spielt hier zunächst mal Querflöte, in seinem Opener und Titelstück ist es vor allem Roland Hanna, der mit seinem Spiel jenseits aller Kategorien brilliert (Mingus liegt nahe bzw. der Kollege Jaki Byard, der nach Hanna zu des Bassisten Band gehörte). „Placitude“ ist dann eine schöne Ballade (wieder von Wess), mit Hannas „Big Bad Henry“ taucht Enja dann tatsächlich mal kurz in den Soul Jazz ein. Wess ist am Sax zu hören (Tenor – er klingt toll, etwas verschattet, manchmal fast als hätte er ein Varitone-Equipment zugeschaltet), George Mraz spielt ein tolles Solo – überhaupt glänzt er hier zusammen mit Drummer Richard Pratt immer wieder. Hanna ist die Wild Card, der unberechenbare Part, der das alles spannend macht, während Wess der mit allen Wassern gewaschene Profi ist, der mit jeder Situation bestens klarkommt, aber eher im erwartbaren, berechenbaren Bereich des Spektrums bleibt. Im „87th Street Blues“ von Pratt spielt Wess wohl eine Altflöte? Das Stück bleibt recht konventionell. „What, Does It Matter?“ ist dann eine Latin-Nummer aus der Feder von Mraz, mit Wess wieder am Tenorsax – das Stück wird zu einer echten Gruppen-Performance, in der Wess als Bläser keineswegs im Vordergrund steht. Der Closer „Tee Piece“ stammt von Hanna und der öffnet mit einer tollen Klavierimprovisation. Wess steigt erst nach drei Minuten direkt mit seinem Solo ein – wieder am Tenorsax (ich höre hier also verschiedene „flutes“, aber nur eins von den auf dem Cover genannten „saxophones“? Oder gibt es irgendwo noch Altsax?). Das ist ziemlich dicht und schlägt damit auch einen schönen Bogen zum Opener.

Die Aufnahme entstand am 19. Februar 1977 im Sound Ideas in New York. Und auf Enja hätte ich so ein Album wirklich nicht erwartet – aber denn ist es eben am Ende doch weniger konventionell als man erwarten könnte, das Material ist abwechslungsreich, die Band immer wieder für eine Überraschung gut, und die Produktion sorgfältig – alles andere als „einfach noch ein Hard Bop-Album“ jedenfalls (oder „Mainstream“ statt „Hard Bop“, ja nach bevorzugter Terminologie).

Trivia: Irgendwie passend, dass im Elitenstaat im Osten Deutschlands die Rhythmusgruppe weggestrichen wurde und das Album statt einer Combo den beiden Musikern an den „Melodieinstrumenten“ zugeschrieben wurde.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #153: Enja Records - Entdeckungen – 11.06., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba