Antwort auf: Enja Records

#12309803  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 67,436

vorgarten

malcolm braff, inside (2011)

schlimmstes cover der labelgeschichte? malcolm braff kenne ich gar nicht, aber dass steve colemans langjähriger e-bassist reggie washington hier dabei ist, hatte mich interessiert. das ist ein originell performendes trio, sehr stark inspiriert von iyer/crump/gilmore, vor allem, was so virtuos verkomplizierte metren über bekannte stücken angeht (hier sexy mf von prince und baden powells berimbau), ein um die ecke gedachter funk, den jemand wie washington im schlaf spielt, der hier aber vor allem das aushängeschild des drummers lukas koenig ist. braff überzeugt mich in diesem setting nicht allzu sehr, aber es gibt ein paar solostücke von ihm im völlig anderen register, die ich wiederum ganz spannend finde. die frage wäre halt, wie man das besser verbinden könnte. aber insgesamt eine ziemlich aktuelle form des jazzklaviertrios.

Covertechnisch ist Enja ja leider irgendwann in den Achtzigern total entgleist … das Album von Braff läuft jetzt bei mir auch wieder. Ich habe ihn über die Jahre in unterschiedlichsten Settings live gehört, am Flügel oder am Upright, am Rhodes, mit Kontrabass oder Bassgitarre … ein Vollblutmusiker, der im Augenblick über sich hinauswachsen konnte. Am schönsten sind mit Auftritte des BraffOesterRohrer Trios (mit Bänz Oester-b und Samuel Rohrer-d) in Erinnerung, bald 20 Jahre her, in denen die drei gemeinsam, geradezu symbiotisch, über sich hinausgewachsen sind. Wohl weil ich Braff öfter mal live gehört habe, habe ich lange Zeit keine seiner Aufnahmen gekauft. Und die in den letzten Jahren gekauften auch kaum angehört, obwohl ich schon lange keine Gelegenheit mehr hatte, Braff live zu hören.

„Inside“ hebt für meine Ohren nie so richtig ab – auch wenn ich „Sexy M.F.“ (das ist doch recht nah an der Vorlage, die ist auch schon so zickig, zumindest im Bass) schon recht toll finde, wenn der Gesang vom Opener (Aurélie Emery) mal aus dem Weg ist. Koenig finde ich hier ab und an schon sehr toll, aber anderswo verliert sich das alles in einem irgendwie leerlaufenden Aktivismus und langweilt mich irgendwann … oder macht mich nervös. So geht es mir etwa im Stück in der Mitte, „Mantra“, in dem am Ende noch „A Love Supreme“ gechantet wird. Die beiden Klavier-Soli sind wirklich komplett anders und sehr schön, aber ich verstehe nicht, was sie hier zu suchen haben.

Aufgenommen wurde das Album vom 4. bis 8. April 2011 in Studio La Buissonne in Pernes-les-Fontaines – wo Enja sonst eher nicht zu Gast zu sein scheint, mit zusätzlichen Aufnahmen im Studio du Flon in Lausanne, produziert hat Braff selbst, auf der Hülle steht auch, dass die Copyrights bei Braff sind und „under exclusive license“ an Enja vergeben wurden.

Live fand ich dieses Trio übrigens viel packender, das war aber auch einige Jahre später (Januar 2017):
https://forum.rollingstone.de/foren/topic/2017-jazzgigs-konzerte-festivals/#post-10052317

Die jüngste Begegnung 2018 mit Braff war dann das Quartett von Jacques Schwarz-Bart (geboren auf Guadeloupe, aber bei den Sachen, die ich bisher gehört habe, dünkte mich nicht, dass das eine Rolle spielt) war dann weniger euphorisch, aber dort gibt’s ein Foto von Braff:
https://forum.rollingstone.de/foren/topic/2018-jazzgigs-konzerte-festivals/page/3/#post-10407653

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #153: Enja Records - Entdeckungen – 11.06., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba