Antwort auf: Enja Records

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Anke Helfrich – Stormproof | Die letzte Runde vor der heutigen Kinopause … noch ein Grabbelkistenfund (eine CD von 2009, ich hatte also noch nicht ganz aufgegeben): Anke Helfrich (p, rhodes, harmonium), Henning Sieverts (b, vc), Dejan Terzic (d, perc) und auf vier Stücken Nils Wogram (tb). Auf dem Programm nach dem Opener „Hackensack“ (Monk) und einer sehr schönen Version von Weills „September Song“ (beide im Trio) vor allem eigene Stücke: „Stormproof“, „Sehnsucht“ oder „Little Giant“ heissen sie. Als zweitletztes Stück gibt es nochmal Weill mit „Speak Low“. Nach dem Einstieg im Trio frage ich mich ein wenig, warum auch noch Rhodes, Cello oder Posaune nötig sind, denn das Trio funktioniert wirklich prächtig. Eine Prise Funk, eine Prise Latin, waches Zusammenspiel – mit Wograms Einstieg in „Stormproof“, dem dritten Stück, mit Rhodes und einem rockigen Beat – das Thema erinnert ein wenig an den „Freedom Jazz Dance“ – klingt das fast wie eine andere Band. Dann folgt „Sehnsucht“ im Trio, im Dreier, ein Cello-Feature mit weichen Klavierakkorden, Besen-Punktierungen und gelegentlichen Beckenschlägen von den Drums. Es folgt „In Good Times as in Bad“ (die Leaderin wieder am Klavier, Sieverts zurück am Bass), ein Original, in dem Helfrich ein wenig nach Monk klingt und dann „Old Devil Moon“ zitiert. Auf das kurze, im Quartett frei improvisierte „After the Rain“ (mit Wogram, da hat sich im Booklet ein Fehler eingeschlichen, dort wird das Stück als Trio aufgeführt) folgt dann „Circles“ (von Helfrich) und da ist im langen Solo-Intro das impressionistisch angehauchte Piano zurück, bevor Wogram dazustösst und ein balladesker Walzer draus wird. „Swiss Movement“ ist dann das Stück, in dem Wogram im Booklet gelistet ist, aber nicht mitspielt: eine Hommage an die Platte von McCann/Harris natürlich, mit Helfrich am Rhodes – ihrem ersten eigenen Instrument, „finanziert durch Zeitungen-Austragen“, wie sie in den Liner Notes erzählt. „Speak Low“ ist dann nochmal ein Trio-Walzer, aufgeräumt, wach, lyrisches Piano mit einem funky Fundament. Der Closer, „Little Giant“ (nochmal mit Wogram) ist ein kurzer musikalischer Nachruf auf Johnny Griffin, mit dem Helfrich 2000 aufgetreten ist. Er starb ein paar Wochen, bevor das Album am 8. und 9. September 2008 in der Fattoria Musica in Osnabrück aufgenommen wurde. Vielleicht ist das Album als ganzes ein bisschen zum ambitioniert produziert, wurde zu viel reingepackt – es ist dennoch ziemlich stark und (ohne dass ich andere Aufnahme kenne) es dünkt mich ein ganz gutes Portrait der Pianistin und Komponistin Helfrich zu sein.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #153: Enja Records - Entdeckungen – 11.06., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba