Antwort auf: Enja Records

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Bennie Wallace – Someone to Watch Over Me | Das war 1999 mein Einstieg bei Bennie Wallace – eine Empfehlung der Verkäuferin in einem der CD-Läden, von denen es damals noch einige gab … „trotz des üblen Covers“. Fast schon klassizistisch geht es hier zu und her, den etwas wilderen Wallace entdeckte ich dann via „Mystic Bridge“ (so der spätere Titel des Albums mit Chick Corea) und das CD-Reissue von „Live at the Public Theatre“. „Big Jim’s Tango“ kaufte ich auch um den Dreh herum. Der Ton und die Delivery von Wallace beeindruckten mich sofort: wie er mit einem riesigen, geradezu sperrigen Ton bewegliche Linien spielt, die wild herumspringen, wie ich es da schon von Eric Dolphy kannte. Vielleicht ist das auch ein Art Saxophon-Fetisch hier – aber das wäre unfair, denn die Rhythmusgruppe glänzt hier ebenfalls immer wieder. Ein beindruckend souveränes Album.

Gershwin-Songs mit Mulgrew Miller (p), Peter Washington (b) und Yoron Israel (d) (die Rhythmusgruppe gab es bei Weber auf „Diaspora“, dem zweiten Enja-Album von Ronald Muldrow). Mit der Auswahl der Songs kann man da kaum was falsch machen, finde ich – es gibt Balladen und mittelschnelle Swinger, da ganze wirkt sehr entspannt und klingt wahnsinnig schön (der eine Marciano-Bruder ist daher eher eine Überraschung, aber Harley wird hier den Unterschied gemacht haben), warm, voll, „pure analog“ und „recorded live direct to two track“. Mit „Nice Work If You Can Get It“ steht ein Favorit am Anfang, weitere sind „I Was Doing All Right“, „How Long Has This Been Going On“ und „It Ain’t Necessarily So“ (das längste und vielleicht tollste Stück hier, in dem Wallace alles auffährt). „Who Cares“ ist ein etwas seltener gehörter Song, den ich auch sehr mag, dann gibt’s natürlich noch das Titelstück (das auf dem blöden Cover wohl irgendwie „ironisch“ ungesetzt wurde) und am Ende als achtes Stück noch eins aus „Porgy and Bess“, „I Loves You Porgy“.

Joe Harley hat diese „audiophile recording“ produziert, Joe Marciano agierte als Tonmeister im Systems Two in Brooklyn am 30. Juni und 1. Juli 1998 – herausgebracht hat Enja Winckelmann die Aufnahme dann 1999. Im Booklet wird das gesamte technische Equipment aufgeführt – und da fällt auch der Name AudioQuest, deren Kabel eingesetzt werden – und für deren kleines Label Wallace in den Neunzigern zwei tolle Alben eingespielt hat (das zweite, „Bennie Wallace“, auch 1998 mit Tommy Flanagan, Eddie Gomez und Alvin Queen ist vielleicht mein allerliebstes von ihm). In den Achtzigern nahm er zwei etwas eklektizistische Platten für Blue Note auf (Ray Anderson, Dr. John und John Scofield sind auf beiden dabei, mit Mitch Watkins taucht ein weitere Ex-Enja-Musiker auf, Stevie Ray Vaughan, Bob Cranshaw und Bernard Purdie bilden auf dem ersten Album eine unerwartete Rhythmusgruppe) und zwei etwas zu klassischen Alben für Denon (das eine ein Monk-Album mit Yosuke Yamashita, Jay Anderson und Jeff Hirshfield, das andere „The Art of the Saxophone“, auf dem John Scofield das reguläre Trio – Gomez/Richmond – verstärkt und die Saxophonisten Harold Ashby, Jerry Bergonzi, Oliver Lake und Lew Tabackin als Gäste mitwirken). Nach zwei Alben für AudioQuest dann die Rückkehr zu Enja, wo noch vier Alben folgten (und dazwischen ein weiteres für Groove Note) bevor es die letzten 20 Jahre still wurde um Wallace (*18. November 1946).

Sicher eins der Enja-Alben, das ich am häufigsten gehört habe (zusammen mit … vermutlch „Yarona“, „South Africa“, „There Was a Time – Echo of Harlem“, „Listen Here“, „Hill Country Suite“) – nicht direkt ein Top-Favorit, aber schon ein nach wie vor sehr geschätzes Album.

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