Antwort auf: Enja Records

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Ronald Muldrow – Yesterdays | Entspannung mit einem funky Orgeltrio tut jetzt ganz gut. Soundworks Studio, Milwaukee, 28. und 29. Dezember 1992, Ronald Muldrow (g), Mel Rhyne (org), Victor Campbell (d). Für sein Label-Debut konnte sich der Gitarrist von Eddie Harris also auf eine Legende verlassen. Dazu kommt ein unbekannter, aber für das Projekt hervorragender Drummer. Und ein bemerkenswert schlechtes bzw. schlecht umgesetztes Cover (ich glaub ich verstehe die zugrundeliegende Idee ja, aber …).

„Sham Time“ von Harris macht den Einstieg – und der Sound ist phänomenal hier, die Orgel geht wirklich in den Bauch, die drei Instrumente vermischen sich total schön und das alles klingt wie in einem kleinen Raum mit toller Atmosphäre live aufgenommen, obwohl das ja eine Studioproduktion ist – bemerkenswert! Nach dem Opener folgt „Yesterdays“, das Titelstück von Jerome Kern, dann gibt es mit „Swedish Schnapps“ den ersten Abstecher ins Bebop-Kernrepertoire, aus dem später noch „Groovin‘ High“ folgt. An weiteren Klassiker kriegen wir „My One and Only Love“ (für Gitarristen vielleicht die erste Station, um Muldrow wirklich zu hören), „Besame Mucho“ (slow groove Highlight), „Love for Sale“ (klassischer Beat hier von Campbell) und zum Ausklang „Walking My Baby Back Home“.

Die Musik bedarf echt keiner Beschreibung, das ist klassischer Orgeljazz erster Güte (kennst Du das Album @redbeansandrice? Bin mir gerade nicht mehr sicher, ob wir es mal von Muldrow hatten?). Interessanter ist vielleicht, aus den anonymen Liner Notes von Muldrow selbst zu hören, dass er seinen Stil aus dem mit dem Daumen gespielten von Wes Montgomery und der „chordal technique“ von Kenny Burrell zusammensetzte, die für ihn „more like a piano than a guitar“ klang. Und gleich noch ein langes Zitat daraus (knapp die zweite Hälfte, ein paar der Fehler und seltsamen Schreibweisen sind da wirklich so):

I also began listening to local Chicago guitarists such as Roland Falkner, George Eskridge, George Freeman, Phil Upchurch, Don Coleman and Pete Cosey. It was probably in Collage [sic] that I bean my serious music studies and association with other serious musicians. Ex-trumpet player Jake Waller hipped me to Clifford Brown, he had all of Clifford’s recordings and let me borrow them. Clifford’s playing impressed me because I felt that he played not only physically fast but mentally fast also, and really swung at any tempo. I wanted to know what I was plying, and this interest led me to James L. Mack. James Mack gave me a feeling for what integrity is. A good friend Richard Brown showed me some very advanced chordal clusters on the piano, things Wynton Kelly used, that I transfered to guitar. But my overall influence is Eddie Harris. I met him after I left school while playing on the Staple Singers tour in Ghana. After I returned home, Eddie called me for a tour. I had been waiting for a call to play with Donny Hathaway but immediately took the tour with Eddie. This turned into the most rewarding musical as well as personal relationship I had experienced. Eddie’s conceptual integrity and individuality has made a lifelong impression on me. He told me there are only two types of music: ‚Music you like and music you don’t like‘. Eddie is an ideal teacher because he can practice what he preaches.

Von den vier Muldrow-Alben, die ich bisher kenne, dürfte das mein liebstes sein. Das erste ist „Gnowing You“ auf L+R von 1991 mit Larry Goldings und Jimmy Madison (davon gab’s netterweise neulich auch ein Japan-Reissue, von „Yesterdays“ hab ich allerdings die deutsche Ausgabe von 1992), also auch ein Orgeltrio, aber ein viel schlankeres. Das zweite der Enja-Nachfolger „Diaspora“ von 1993 (Mulgrew Miller, Peter Washington und Yoron Israel – demnächst mehr auf diesem Kanal), und schliesslich noch „Facing Wes“ von 1994 auf Kokopelli (Steve Nelson, James Williams, Washington, Israel und Kendrick Gueno). Alles Neuzugänge der letzten vier oder fünf Jahre. Gemäss Discogs fehlt mir also bloss noch eins: „Freedom’s Serenade“ von 1999 auf Double Time.

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