Antwort auf: Enja Records

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Porter-Praskin Quartet with Sal Nistico – Sonnet for Sal | Mit der Ballade „Sonnet for Sal“ von Allan Praskin äffnet dieses Album – ein ungewöhnlicher Start, aber ein derart starker, dass es danach echt nicht mehr besser wird. Allan Praskin (as) und Larry Porter (p) leiteten ihr Quartett seit 1982, Porter schreibt in den Liner Notes, 1988 traten sie zum ersten Mal in Deutschland und in Italien auf, mit Marc Abrams (b) aus New York (er lebte schon damals in Venedig) und Paolo Pellegatti (d) aus Mailand. Mit Sal Nistico spielte Porter schon 1975 zum ersten Mal, da war er 23. Nistico, elf Jahre älter, hatte da bereits mit den Mangione Brothers, Count Basie und Woody Herman gespielt. Dreizehn Jahre nach dem ersten Treffen ging das Quartett am 7. Novembber 1988 mit dem Gast in Linz ins Studio des ORF, in das auch ein kleines Publikum geladen war: „we had optimal conditions for recording and, at the same time, the intimate atmosphere of a live playing situation.“ Robert Urmann aus Linz hatte das Konzert organisiert, das Teil einer kleinen Tour mit Auftritten in Salzburg, Wien, Linz sowie zwei Nächten in München war.

Im „Sonnet for Sal“ ist Nistico über neun Minuten als überragender Balladenkünstler zu erleben, wahnsinnig schöner Ton, Phrasierung wie aus dem Stein gemeisselt. Das mag teils so ein „musician’s musician“-Ding sein, aber ich höre da auch bloss staunend zu. Allan Praskin, der Altsaxer der Band, und Nistico bildeten gemäss Porters Liner Notes eine „mutual admiration society“. Die Atmosphäre war also stets freundlich, auch wenn Nistico vermutlich ein Musiker war, an dessen Seite sich keiner eine Blösse gönnen konnte. „Touch Light Samba“, das sechste und letzte der meist langen Stücke hier, hatte Nistico fünf Jahre früher in Spanien an Praskin und Porter überreicht, und jetzt ergab sich die Gelegenheit, es gemeinsam einzuspielen. An zweiter Stelle steht das einzige Stück von Praskin, „(We’ll Never Manage) This Way“, bei dem ich nicht nur wegen Praskins eher sprödem Ton ein wenig an Lee Konitz und Lennie Tristano denken muss. Hinter dem (gar nicht tristanoartigen) Klaviersolo gibt es leise Begleitlinien der Bläser, die auch da und dort mal kontrapunktisch zusammen improvisieren – vor und nach dem Schlagzeusolo im letzten Drittel des sehr langen Stückes. Die folgenden drei Stücke stammen dann von Porter. „Miracle“ ist ein atmosphärisches Stück im Dreiertakt, das die zwei Saxophone in einem sehr schönen Arrangement gemeinsam präsentieren – klingt nach einer offenen modalen Struktur, Orgelpunkt vom Bass, lange Linien. Der Pianist kriegt das erste Solo, dann ist Nistico dran (Praskin ist nur zu Beginn und Ende im Ensemble zu hören), mit etwas verschatteterem Ton als üblich – toll! „Water Lily“ ist das längste Stück hier und gehört erstmal ganz Marc Abrams, dessen langes Bass-Intro von einem kurzen Schlagzeugsolo gefolgt wird. Dann steigt die Band ein, es wechseln sich Latin-Beat und straighter 4/4 ab, Praskin spielt ein starkes Solo, bevor Nistico und Porter an der Reihe sind. Das letzte Stück von Porter isst „Elusive“, über einen langsamen Bossa-ähnlichen Beat und da setzt Porter dann ein solistisches Glanzlicht. Allerdings verliert das Album nach dem starken Einstieg in seinen drei Stücken auch zunehmen an Zugkraft – etwas mehr Abwechslung hätte nicht geschadet, zumal auch Nisticos „Touch Light Samba“ nochmal einen binären Latin-Beat liefert. Allerdings spielt Nistico hier nochmal ein richtiges gutes Solo und der Beat ist schon einiges zupackender als in den drei Stücken davor.

Die fünf hatten auf der kurzen Tour eine gute Zeit und man hört der Aufnahme an, dass das keine Pick-Up-Band ist – aber für mich bleibt Nistico hier die Hauptattraktion, und da ist der Opener das grosse Highlight. Weitere Gigs gab es leider keine: Porter schreibt, wie er sich darum bemüht hat, welche zu organisieren, das aber nicht gelang. Nistico starb 1991 in Bern und 1994 erschien die CD mit der Aufnahme aus Linz als Co-Produktion von Enja (Weber) und ORF Oberösterreich.

Für die Sax-Geeks (wie mich) gibt’s davon übrigens auch ein japanisches Reissue von 2021 … sonst wohl nur die alte CD von 1994. Und zuletzt: Auf der Rückseite des CD-Inlays gibt’s ein schönes Portrait, das Sepp Werkmeister von Nistico gemacht hat (das in Japan fehlen dürfte):

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