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gypsy-tail-wind
Wenn ich versuchen muss, mein Problem mit Shepps Klang hier zu beschreiben, würde ich es so versuchen: es betrifft nur das höhere oder maximal einen Teil des mittleren und das höhere Register – da schwingt irgendwie etwas mit, was mich eminent stört oder quasi kurz davor ist, mich zu stören. Einfach nur die Fülle an Obertönen ist es nicht, denn die ist ja in den tiefen Lagen eher noch grösser … es ist etwas, was ich als eine Art Druck wahrnehme – obwohl ich ja höre, dass Shepp keineswegs die höheren Töne mit mehr Druck bläst. Besser kann ich es echt nicht erklären – ich glaube, das entzieht sich sowieso einer Erklärung oder Vermittlung … und es ärgert mich ja auch irgendwie selbst, aber aus der Haut kann ich halt auch nicht.
danke für den versuch aber ausgerechnet festgemacht an dem album, auf dem ich shepps ton so vielschichtig und facettenreich finde… aber sowas gibts, bestimmte frequenzen können nerven, und wenn jemand sie vorsätzlich immer wieder einsetzt, will man mit ihm kein bier mehr trinken gehen… ich versuche ja, meine distanz zu richard davis eher emotional zu fassen – bei ihm das ungewöhnliche, um-die-ecke-gedachte zu dieser zeit ja so naturalisiert, dass das gar keine bewusste geste mehr ist, glaube ich – ähnlich wie „chet baker singt ‚my funny valentine'“ oder so schlagzeugstile wie die von sunny murray oder rashied ali – man hört im einzelnen nicht, ob sie einen guten oder schlechten tag haben, ob sie gerade besonders inspiriert oder eher müde sind, da gibt es eine erarbeitete originalität, die den erzeugern womöglich gar nicht mehr auffällt. bei shepp ist das anders. er ist ja in dieses material (round midnight, body and soul, etc.) erst hineingewachsen, mit druck auch (den man immer hört), mit dem unbedingten willen, diese sachen gleichzeitig wie zauberformeln aufzurufen und ihnen etwas neues hinzuzufügen. ich habe das bei ihm bis zuletzt sehr bewundert: nichts ist selbstverständlich, er ist nicht ben webster, der standards im schlaf spielen konnte und bei dem auch ann immer alles sitzt, sondern er jemand mit haltung, die immer wieder auf das material appliziert wird. und manchmal, bei all den technischen problemen, den tages-phasen, der relativ kleinen trickkiste, bleibt nur mehr die haltung übrig, wenn auch als kratzen an der tafel.
gestern noch zwei super alben gehört:
aki takase trio, song for hope (1981)
jazzfestauftritt, ein selbstbewusster flirt mit dem überraschten publikum. takase setzt verschiedene register ein, die ich alle interessant finde – ein langes solostück am anfang, das sehr entschieden anfängt und dann ein bisschen angeberisch und zitathaft wird; das titelstück dann als großartig ausgewalzte spiritual-jazz-nummer, die nach pharoah sanders verlangt, aber eigentlich auch nicht, da wird etwas gemeinsam gefunden und ins epos überführt, ich konnte davon selbst gar nicht genug bekommen. und dann kommen noch ruhige registerfächer dran und ein in einzelenergien zerhacktes free-stück, bei dem dann auch die mitspieler glänzen. ziemlich wow.
murray, burrell, morris, lewis, lucky four (1988)
murray als jemand, der sich material nochmal anders und genausowenig selbstverständlich einverleibt, hier im verspielten modus mit gleichberechtigten, immer etwas unvorhersehbar agierenden partnern, die alle hörbar großen spaß haben. tolles verrücktes zeug haben die da zur playing-grundlage mitgebracht, mich kickt das die ganze zeit, für mich definitv ein highlight aus dieser phase. dave burrell hat hier den richard-davis-part, alles von ihm ist um die ecke gedacht, aber die anderen haben die gleiche tendenz. gut, dass sie hier nicht zwischendurch noch „round midnight“ einstreuen. ich höre solche produktionen (mit neuem, eigenen material) in den 80ern immer auch als kleine kampfansagen gegen den sich institutionalisierenden traditionalismus dieser zeit (shepp natürlich auch).
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