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Bobby Previte – Weather Clear, Track Fast | Die Band, die sich 7. und 8. Januar 1991 im Gramavision Studio in New York (aufgenommen von Joe Ferla, produziert von Previte) einfand, kann ich nicht so recht einordnen – irgendwo zwischen Downtown-Szene und M-Base, aber ein paar Eklektizisten (eher im positiven Sinn) sind auch dabei: Graham Haynes (cor), Robin Eubanks (tb), Don Byron (cl, bari), Marty Ehrlich (cl, bcl, as, fl), Anthony Davis (p) Anthony Cox (b) und Previte (d). Auf dem Opener sitzt Steve Gaboury am Klavier, anstelle von Davis.
Die CD kam mal eher zufällig in meine Hände, enttäuschte mich ziemlich und verschwand im Regal. Und ich finde die Musik auch heute nicht sehr ansprechend – warte eher auf Einzelbeiträge wie das erste Solo des Albums, das von Graham Haynes stammt und mehr Wärme ausstrahlt als der ganze Rest. Ich glaube, das ist eine Art von postmodernem Jazz, die ich einfach nicht mag, nie wirklich mochte – auch wenn da tolle Bläser dabei sind, ein super Pianist, ein phantastischer Bassist … Ich höre das daher gerade mit Interesse wieder, aber ohne irgendwie berührt zu werden. Oft dichte Musik mit sich überlagernden Linien, immer wieder neue Kombinationen von den beiden Holzbläsern (z.B. mal ein tiefes bari/bcl-Duo oder auch bari/fl – die beiden wechseln auch innerhalb der Stücke ständig ihre Instrumente), ständig Brüche (auf ein Bläser-Wirrwarr mit Rhythmusgruppe folgt eine Piano-Solopassage), die Blechbläser growlen im Duett, der Drummer überlegt sich immer wieder gegenläufige zickige Beats, dann verführerisch gesetzte Ensemble-Passagen ohne Störfaktoren oder dahinstapfende Ensembles mit Soli drüber. Stomps, Romps, Blow-Outs … von allem ziemlich viel dabei hier. Nach dem für meine Ohren recht hektischen Einstieg beruhigt sich das hinten raus etwas, die Stärken der Band wie auch der einzelnen Musiker werden besser hörbar. Die Rhythmusgruppe hat einen guten Drive, Davis sorgt immer wieder für überraschende Einwürfe – und wenn Cox mal richtig unterwegs ist, passt auch Prevites disruptives Schlagzeug besser.
Vermutlich hätte ich das so 1996 noch recht toll gefunden, aber damals kannte ich das Album noch nicht. 2000 hörte ich Bump the Renaissance Band im Konzert, mit Curtis Fowlkes, Ehrlich, Wayne Horvitz und Steve Swallow – das fand ich damals recht gut, die waren aber weniger auf dem „alle 30 Sekunden was andere“-Trip. Etwas bösartig könnte man zum Album auch sagen: Jo, die Rennstrecke war tatsächlich schnell an dem Tag und die Pferdchens hüpften brav über jedes Hindernis, haben am Schluss auch noch artig Männchen gemacht und hielten sich dabei aus nur ihnen ersichtlichen Gründen für total frech.
Kenny Barron Quintet – Quickstep | „Und jetzt das Kenny Barron Quintet mit dem Quickstep – Let’s Dance!“ – Äh, nein, nicht ganz. Ich bin froh, nach dem Postmodernen jetzt einfach etwas Postbop zu hören. Die Band fast dieselbe wie im Fat Tuesday’s: Eddie Henderson (t), John Stubblefield (ts), Barron (p), David Williams (b) und Victor Lewis (d). Man traf sich bei Rudy Van Gelder am 18. Februar 1991 (nur ein Tag, wie bei Ibrahim). Es gibt je zwei Stücke von Barron, Stubblefield und Lewis sowie in der Mitte „Hindsight“ von Cedar Walton. (Mein Exemplar ist leider nicht signiert – das ist einfach der beste Scan bei Discogs.)
Im Studio kommt, dünkt mich in Stubblefields Opener „Once Upon a Time“, Eddie Henderson stärker zur Geltung. Sehr warm klingt seine Trompete, völlig logisch im Aufbau seiner Improvisation, schnörkellos, direkt. Auch Barrons Piano klingt sehr warm – auch wenn RVG es (wie üblich) ohne die Klarheit und die Klangfülle aufnimmt, wie andere Studios das damals längst machten. Lewis macht über das ganze Stück hinweg mächtig Druck. Auch im zweiten und dritten Stück setzt Henderson für meine Ohren die Glanzpunkte – mit Dämpfer in Lewis‘ „I Wanted to Say“ und wieder mit offenem Horn über den Latin-Beat von Barrons „Until Then“, das vielleicht das erste Stück hier ist, das mich richtig reinzieht. Das folgende Stück von Walton ist dann auch nochmal sehr gut, aber danach zieht das wieder mehr an mir vorbei. Zumindest bis zum fast 16 Minuten langen Closer, der mit einem ominösen Ostinato einsetzt, darüber die gestopfte Trompete … und dann entsteht hier etwas Tolles, catchy langsamer Groove, total schöne Atmosphäre, starke Soli (Stubblefield! endlich!) – und das ist hier mein Fazit: Henderson ist wirklich toll auf dem ganzen Album. Er setzt die Glanzlichten, ragt heraus, sonst bleibt das die meiste Zeit einfach irgendwie grundsolide.
Von der Wirkung, die der Live-Mitschnitt aus dem Fat Tuesday’s auf mich neulich hatte, ist das hier also leider ziemlich weit entfernt: Ich habe hier eher meine übliche Barron-Erfahrung, die in etwa so geht: Alles ganz hübsch, sehr gekonnt komponiert und arrangiert, mit starken Leuten aufgenommen – aber irgendwie kommt am Ende nicht so viel heraus, wie ich hoffen würde.
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